Quelle: Andreas Kaemper
Service aktuellJahresausblick 2024: Schuldenbremse bremst die deutsche Transformation aus
Die deutsche Wirtschaft war eigentlich auf dem Weg zu wachsen – dank Energiepreisbremsen und höheren Löhnen. Aber wegen des Bundesverfassungsgerichtsurteils und der knappen Kassen wird die wirtschaftliche Lage unsicherer, schreibt Sebastian Dullien.
[08.01.2024]
Eigentlich sollte 2024 das Jahr werden, in dem die deutsche Wirtschaft die Stagnation überwindet. Die Hoffnung war, dass die Folgen des historisch einmaligen Energiepreisschocks nach der russischen Invasion in der Ukraine – auch dank Energiepreisbremsen und neuem Transformationsstrompreis – allmählich auslaufen würden. Zudem sollten steigende Löhne bei fallender Inflation langsam auch wieder zu steigender Inlandsnachfrage beitragen.
Leider hat die Wirtschaftspolitik diesen Aussichten einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Nach dem November-Urteil des Bundesverfassungsgerichts waren 60 Milliarden Euro Kreditspielraum, mit dem die Bundesregierung eigentlich geplant hatte, über Nacht nicht mehr nutzbar. Gleichzeitig sind die öffentlichen Finanzen in Deutschland noch immer durch die Folgen des Energiepreisschocks derart belastet, dass man den kleinen Spielraum zur Kreditaufnahme bereits aufgebraucht hatte, den die Schuldenbremse im Grundgesetz lässt.
Als Reaktion auf das Urteil entschied sich die Ampel-Koalition, die Pläne für den Klima- und Transformationsfonds über die kommenden Jahre um 45 Milliarden Euro zu stutzen und außerdem 17 Milliarden Euro im Haushalt 2024 einzusparen. Maßnahmen dabei unter anderem: Höhere CO2-Abgaben für Privathaushalte, schneller steigende Mehrwertsteuer auf Erdgas und Fernwärme und keine Entlastung bei der Stromrechnung durch Übernahme von Netzentgelten durch den Bund.
Die daraus folgende Unsicherheit und die nun absehbaren Ausgabenkürzungen und Abgabenerhöhungen haben eine ohnehin wackelige wirtschaftliche Situation weiter verschlimmert: Wir im IMK gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft auch im neuen Jahr leicht schrumpfen wird.
Damit nicht genug: Die Haushaltsknappheit wird weiter anhalten. Schon wird an vielen Stellen über Sozialkürzungen diskutiert, Mittel für wichtige Investitionen in die Infrastruktur oder Bildung fehlen. Das kurzfristige Agieren der Ampel hat zudem viel Unsicherheit geschaffen. Wenn eigentlich versprochene Maßnahmen so schnell der Schuldenbremse zum Opfer fallen können, wie sollen dann noch Privathaushalte und Unternehmen auf verlässlicher Basis Heizungstausch, Gebäudesanierung und Dekarbonisierungsinvestitionen planen?
Wir in der Hans-Böckler-Stiftung haben seit langem vor den möglichen schädlichen Folgen der Schuldenbremse für Wirtschaft und Gesellschaft gewarnt. Die Ereignisse der vergangenen Monate zeigen, dass die Schuldenbremse nun wirklich zur Wachstumsbremse und zur Quelle von Verunsicherung geworden ist.
Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Erkenntnis 2024 auch endlich im politischen Diskurs durchsetzt, damit mit breiter demokratischer Mehrheit eine Reform der Schuldenbremse hin zu mehr ökonomischer Vernunft in Gang gesetzt werden kann. Dann könnte nicht nur die Stagnation schnell überwunden werden, sondern es könnten auch endlich die Investitionsbedarfe in Deutschland entschieden angegangen werden – für ökologisch verträglichen Wohlstand und soziale Gerechtigkeit jetzt und in der Zukunft.
Prof. Dr. Sebastian Dullien ist der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung.
Weitere Informationen
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