Quelle: HBS
Service aktuellIMK: Schuldenbremse behindert Deutschlands Zukunft
Wie meistert Deutschland die Herausforderung von wachsendem Investitionsbedarf, schwächerer Einnahmeentwicklung und Schuldenbremse? Sebastian Dullien beleuchtet die Situation und gibt Einblicke in mögliche Lösungsansätze.
[10.06.2024]
Von Sebastian Dullien
Die Bundesregierung hat sich im Streit um die Aufstellung des Bundeshaushaltes verhakt. Wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz und des strikten Urteils des Bundesverfassungsgesichts sollen die Ausgaben 2025 deutlich gekürzt werden. Außerdem dürften wegen der schwächelnden Konjunktur die Steuereinnahmen geringer ausfallen als noch vor ein paar Monaten geschätzt. Zugleich sind die Bedarfe für öffentliche Ausgaben größer geworden. Preise für alles, was der Staat kauft, sind gestiegen. Straßen, Schulen, Panzer, Lehrer*innenstunden – alles ist heute teurer als noch vor zwei Jahren.
Eine Reihe von Kabinettsmitgliedern ist deshalb der Meinung, sie könnten diese Kürzungen nicht seriös umsetzen, ohne dass wichtige Staatsaufgaben leiden.
In vielen Bereichen wird sogar mehr und nicht weniger Geld benötigt. Zusammen mit dem Institut der deutschen Wirtschaft haben wir am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung Mitte Mai eine neue Abschätzung der zusätzlichen öffentlichen Investitionsbedarfe für Deutschland vorgelegt. Das Ergebnis: Es sind in den nächsten zehn Jahren zusätzlich 600 Milliarden Euro notwendig, um den Investitionsstau der vergangenen Jahrzehnte abzuarbeiten und Deutschland zukunftsfähig zu machen.
Die Summe hört sich gewaltig an, wäre aber problemlos über höhere Staatsverschuldung zu finanzieren, ohne dass die Schuldenquote, also das Verhältnis der Verschuldung zum Bruttoinlandsprodukt, weiter steigen würde.
Leider wird eine solche vernünftige und generationengerechte Politik derzeit von der Schuldenbremse verhindert. Unter Ökonom*innen gibt es inzwischen breite Unterstützung für eine Reform der Schuldenbremse. Auch in den wichtigen wirtschaftspolitischen Beratungsgremien sind nur noch vereinzelte Stimmen zu hören, die an einer unreformierten Schuldenbremse festhalten wollen. Das zeigte sich nicht zuletzt auf unserem diesjährigen IMK-Forum. Redner*innen waren neben der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi unter anderem der saarländische Minister der Finanzen und für Wissenschaft, Jakob von Weizsäcker, der Direktor des Brüsseler Think Tanks Bruegel, Jeromin Zettelmeyer, das Mitglied des Sachverständigenrats Achim Truger und unsere IMK-Finanzexpertin Katja Rietzler. Konsens herrschte über die Reformnotwendigkeit der Schuldenbremse, wenn es auch beim „Wie“ noch unterschiedliche Positionen gab.
Die schlechte Nachricht: Einfach wird eine solche Reform nicht, da man dafür eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat braucht. Nicht nur die FDP sträubt sich, auch die Opposition zeigt aktuell wenig Interesse an einer Reform, die der Bundesregierung helfen könnte im Wahljahr 2025 einem ökonomisch und politisch schädlichen Sparhaushalt zu entgehen. Man kann nur hoffen, dass auch hier ein Lernprozess einsetzt und sich die Politiker*innen ihrer Verantwortung bewusst werden, das ökonomische Wohl des Landes über die Ideologie der Schuldenbremse zu stellen.
Prof. Dr. Sebastian Dullien ist der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung.
Weitere Informationen
Wie weiter mit der Schuldenbremse? IMK-Forum 2024
Welche Zukunft hat die Schuldenbremse?
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