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HANS Editorial 04/2022 Florian Blank Service aktuell

Rentenversicherung: Soziale Nachhaltigkeit in den Fokus rücken

Rentendebatten werden oft mit Metaphern der Bedrohung und des Zusammenbruchs geführt. WSI-Rentenexperte Florian Blank plädiert dafür, mehr über die soziale Nachhaltigkeit der gesetzlichen Rente zu sprechen.

[14.2.2022]

Eine nachhaltige Alterssicherung – wer könnte etwas dagegen haben? Der Begriff „Nachhaltigkeit“ regt einige Assoziationen an: Stabilität, Verlässlichkeit, auch Gerechtigkeit zwischen den Generationen. In der rentenpolitischen (Fach-)Debatte steht der Begriff häufig für Nachhaltigkeit der Finanzierung. Das heißt in der Regel, dass Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und Steuerzuschüsse nicht oder nur in einem geringen Umfang steigen sollen – und das unter den Bedingungen des demografischen Wandels. Die Kehrseite ist ein geringeres Leistungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Jüngeren (und die Arbeitgeber) sollen so entlastet werden, die wachsende Zahl der Rentner:innen soll das Ihre beitragen und langsamer steigende Renten akzeptieren.

Was ist daran auszusetzen? Zunächst einmal, dass die Fokussierung auf eine nachhaltige Finanzierung eine Verengung ist. Denn es muss auch darüber gesprochen werden, was sozial nachhaltig ist: Was also soziale Ziele sind, die durch die Rentenversicherung erreicht werden sollen und ihre langfristige Akzeptanz sichern. Wie hoch muss die Rente sein, um den Lebensstandard zu sichern? Welche Lebensläufe sollen wie abgesichert werden? Das kann nicht wissenschaftlich geklärt werden, sondern nur durch öffentliche Diskussion und durch politische Entscheidungen. Und ganz wichtig: Diese Diskussionen und Entscheidungen betreffen nicht nur die Älteren, die schon im Ruhestand sind oder bald in Rente gehen. Sie betreffen auch die Jüngeren, die später ein hinreichendes oder aber ein geschrumpftes, teilprivatisiertes Rentensystem erben werden.

Nun ließe sich einwenden, dass sich Befürworter:innen lebensstandardsichernder Renten selbst ein Bein stellen: Steigende Sozialbeiträge würden als Lohn(neben)kosten den Faktor Arbeit verteuern, die Nachfrage nach Arbeit verringern und so die Finanzierungsbasis der Renten unterminieren. Dieser Mechanismus ist unter Wissenschaftler:innen umstritten. Denn es ist unklar, bei wem steigende Kosten genau anfallen, und es muss berücksichtigt werden, dass die Ausgaben für Renten als Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen wieder Impulse für Wachstum und Beschäftigung setzen. In einer jüngst vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) veröffentlichten Studie wurde gezeigt: Höhere Ausgaben für die Alterssicherung wirken nicht negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung!

„Belastungsgrenzen“ oder „Tragbarkeit“ sind damit politische Konzepte – wie auch die Nachhaltigkeit. Wissenschaftlich können solche Grenzen nicht bestimmt werden. Das ist eine gute Nachricht, denn Gesellschaft und Politik sind frei – frei zu entscheiden, was sozialpolitisch erreicht werden soll und was es kosten darf!

Dr. Florian Blank ist Rentenexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

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