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Das Bild zeigt Ernesto Klengel, den Wissenschaftlichen Direktor des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung. Service aktuell

Herausragende Ideen für ein Arbeitsrecht der Zukunft: Mit Hugo Sinzheimer für ein fortschrittliches Arbeitsrecht

Aus der Geschichte für die Zukunft lernen – dieser Anspruch gestaltet sich im Arbeitsrecht als herausfordernd. Ernesto Klengel betont die Notwenigkeit einer Rechtswissenschaft, die nach vorne denkt. So, wie Hugo Sinzheimer es vorgemacht hat.

[04.11.2024]

Aus der Geschichte für die Zukunft lernen – was nach einer Selbstverständlichkeit klingt, ist für die Rechtswissenschaft eine vertrackte Sache. Denn das Recht trägt die Vergangenheit in sich, es ist oft ein versteinertes Produkt aus vergangenen Überlegungen, Konzepten und Kämpfen – mit der Folge, dass Recht auf neue Entwicklungen „nicht passt“, Unsicherheit produziert und neue Entwicklungen bremst.

Gutes Recht zeichnet sich oft durch eine elegante Abstraktheit aus, die es ermöglicht, es auf neue Sachverhalte anzuwenden. Dies erfordert aber auch eine Rechtswissenschaft, die die Fragen und Nöte derjenigen in den Blick nimmt, denen das Arbeitsrecht hilft, ihre legitimen Interessen wirksam verfolgen zu können. Das wusste schon Hugo Sinzheimer, der Vater des Arbeitsrechts, der im kommenden Jahr 150 Jahre alt geworden wäre. Er leitete das Recht auf Tarifverhandlungen aus der – seinerzeit verbotenen – Praxis der kollektiven Verhandlungen ab. Auch heute bedarf es einer beherzten Rechtswissenschaft, um das bestehende Recht weiterzuentwickeln, zu transformieren oder gänzlich neue Rechtsgrundlagen zu schaffen:

Blicken wir auf den Betrieb, den Ort, an dem zusammen gearbeitet wird, und der deshalb ein Schlüsselbegriff des Arbeitsrechts ist. Die digitale Vernetzung macht es den Unternehmen vielerorts leicht, die Strukturen des Arbeitens zu ändern und so auch Mitbestimmungsstrukturen auszuhebeln. Der Begriff des Betriebs, der nach der herkömmlichen Vorstellung von einer einheitlichen hierarchischen Leitung ausgeht, wird so schnell unterlaufen. Das aber ist nicht zwingend: Die Auslegung des Betriebsbegriffs kann auf solche Entwicklungen durchaus reagieren.

Oder blicken wir auf Tarifverhandlungen. Auch für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie bedarf es eines Updates für den rechtlichen Rahmen und einer Stärkung der Gewerkschaftsrechte. Die EU hat mit einer Richtlinie zu Mindestlöhnen und einer Stärkung der Tarifbindung einen Meilenstein in ihrer Rechtsordnung gesetzt. Dass Umsetzungsbedarf besteht, liegt auf der Hand; es ist ungenügend, wenn die Bundesregierung in einer aktuellen Bekanntmachung darauf verweist, dass die Richtlinie im deutschen Recht bereits umgesetzt werde. Doch was bedeutet dies für die Weiterentwicklung des Rechts in Deutschland genau, was können wir aus anderen Ländern lernen?

Im Rahmen einer festlichen Veranstaltung des Hugo Sinzheimer Instituts am 31. Oktober 2024 an der Frankfurter Goethe-Universität stand herausragende rechtswissenschaftliche Forschung zu eben diesen beiden Themen im Blickpunkt. Prof. Dr. Jérôme Porta, Université de Bordeaux, hat auf der renommierten Sinzheimer-Vorlesung des HSI in beeindruckender Klarheit auf die Verbesserungen hingewiesen, die mit der EU-Mindestlohn-Richtlinie einhergehen. Mit dem Hugo Sinzheimer Preis wurde Dr. Tobias Vogt geehrt, der in seiner exzellenten Doktorarbeit das „Puzzle“ der rechtlichen Anforderungen von „Betrieb“ und „Betriebsteil“ auseinandergenommen und – angesichts der Entwicklungen in der Plattformarbeit und der algorithmischen Steuerung – neu zusammengesetzt hat.

Bereits vor Beginn des Jubiläums-Jahres 2025 ist der Sinzheimer’sche Spirit also spürbar.

Dr. Ernesto Klengel ist der Wissenschaftliche Direktor des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung. 

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