Quelle: Stephan Pramme
Service aktuellLieferkettengesetz: Bessere Arbeitsbedingungen und gestärkte Menschenrechte in den Lieferketten
Seit dem 1. Januar 2023 gilt das Lieferkettengesetz. Es wurde nötig, weil die Lieferketten multinationaler Unternehmen im Zuge der Globalisierung immer komplexer wurden – und freiwillige Selbstverpflichtungen erwiesenermaßen nicht wirken, so Christina Schildmann.
[6.2.2023]
Es war ein Weckruf: Beim Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch, in dem fünf Textilfirmen für den europäischen Markt produzierten, starben am 24. April 2013 mehr als 1100 Menschen, über 2400 wurden verletzt. Spätestens seitdem hat die Debatte über Menschenrechtsverletzungen entlang globaler Lieferketten eine breite Öffentlichkeit erreicht.
Wer fertigt unsere Mobiltelefone, wer näht unsere T-Shirts am anderen Ende der Welt? Wer erntet die Kaffeebohnen, aus denen wir uns unseren Espresso machen? Wir wissen es oft nicht und auch diejenigen Konzerne, die sie uns verkaufen, wollen oft nicht so genau prüfen, unter welchen Umständen und mit welchen Arbeits- und Umweltstandards die Produkte hergestellt werden. Organisiertes Wegschauen ist vielerorts die Praxis.
Seit dem 1. Januar gilt nun das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – kurz: Lieferkettengesetz. Es wurde nötig, weil die Lieferketten multinationaler Unternehmen im Zuge der Globalisierung immer komplexer wurden – und weil freiwillige Selbstverpflichtungen erwiesenermaßen nicht wirken.
Das – im Vorfeld hart umkämpfte – Gesetz bedeutet einen Paradigmenwechsel; es steht für das Ende einer „blinden“ Globalisierung, in der Optimierung von Lieferketten vor allem bedeutete: Hauptsache billig, Hauptsache flexibel. Arbeitsbedingungen, Menschenrechte: egal. Dank des Lieferkettengesetzes können multinationale Konzerne mit Sitz in Deutschland nun nicht mehr die Augen davor verschließen, was entlang der Lieferkette auf dem Weg zum Endprodukt passiert, ob dort gegen Menschenrechte verstoßen wird, Ausbeutung stattfindet, Umweltzerstörung oder ob Gewerkschaftsgründungen verhindert werden.
Doch eine faire und nachhaltige Produktion entlang der Lieferkette kommt nicht einfach auf Knopfdruck per Gesetz. Unterschiedliche Akteure sind nun gefragt, das Lieferkettengesetz mit Leben zu füllen. Im von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsverbund „Ökonomie der Zukunft“ arbeitet ein interdisziplinäres Cluster „Soziale Standards in Lieferketten“ an der Frage, auf welche Weise und mit welchen Möglichkeiten Arbeitnehmer*innen ihre Interessen an Sozialstandards in multinationalen Unternehmen und den von ihnen organisierten Wertschöpfungsketten zum Ausdruck bringen und in einem zweiten Schritt auch durchsetzen können. Die Projekte des Clusters stehen kurz vor dem Abschluss. In Kürze beginnen wir, die Ergebnisse zu veröffentlichen.
Für alle, die sich sofort in das Thema vertiefen wollen: Ein aktuelles Gutachten des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht zeigt, welche Aufgaben durch das Lieferkettengesetz auf Betriebs- und Aufsichtsräte zukommen und welche Möglichkeiten es bietet.
Christina Schildmann leitet die Abteilung Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung.
Weitere Informationen
Forschungsverbund „Ökonomie der Zukunft“
Systemrelevant Podcast: Das neue Lieferkettengesetz – ist eine faire Globalisierung damit möglich?
Die Lieferkette geht auch den Betriebsrat an (Artikel des Böckler Impuls über das Gutachten des Hugo Sinzheimer Instituts)
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