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Das Bild zeigt Prof. Dr. Sebastian Dullien, den Wissenschaftlichen Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. Service aktuell

Konjunktur: Schwächelnde Wirtschaft und falsche Propheten

Die deutsche Wirtschaft ist getroffen von den Nachwirkungen des Energiepreisschocks durch den Ukraine-Krieg und von geopolitischen Verschiebungen. Sebastian Dullien analysiert die Probleme der schwächelnden Wirtschaft und erklärt, was nun wichtig und richtig wäre.

[07.10.2024]

Der deutschen Wirtschaft geht es nicht gut. Das hat gerade auch wieder unsere aktuelle IMK-Prognose bestätigt. Dieses Jahr dürfte die Wirtschaft bestenfalls noch stagnieren, im kommenden Jahr sehen wir ein Mini-Wachstum von 0,7 Prozent. Die Arbeitslosigkeit steigt und insbesondere in der Industrie droht ein Stellenabbau.

Dramatisch sind die Zahlen für 2024 und 2025 an sich nicht. Die Dramatik ergibt sich, wenn man einen längeren Zeitraum betrachtet: Das Bruttoinlandsprodukt dürfte Ende 2024 etwa auf dem Niveau von 2019 liegen. Deutschland hat somit ein halbes verlorenes Jahrzehnt hinter sich, während das BIP in den USA inzwischen zehn Prozent höher liegt und in den anderen Euro-Ländern immerhin um vier Prozent gestiegen ist. Die Gefahr: Unternehmen und Verbraucher*innen stellen sich darauf ein, dass Wirtschaft und Einkommen nicht mehr wachsen und investieren und konsumieren entsprechend weniger. Eine sich selbst erfüllende Erwartung droht.

Umso wichtiger ist deshalb, nicht auf falsche Propheten zu hören, von denen es derzeit leider mehr als genug gibt. Auch wenn gerne etwas anderes behauptet wird: Das Problem der deutschen Wirtschaft ist nicht, dass eine angeblich überbordende EU-Bürokratie das Wachstum abgewürgt hat. Auch gibt es keine kollektive Faulheit wegen vermeintlich zu hoher Bürgergeldzahlungen. All diese Behauptungen passen nicht dazu, dass Deutschland in der Pro-Kopf-Betrachtung bis 2019 ähnlich gut wuchs wie die USA und besser als die europäischen Nachbarn – und seitdem abgekoppelt ist, während letztere aber trotz gleicher EU-Regeln robust weiterwachsen.

Die deutsche Wirtschaft ist vielmehr getroffen von den Nachwirkungen des Energiepreisschocks durch den Ukraine-Krieg und von geopolitischen Verschiebungen. China und die USA, zwei der wichtigsten deutschen Exportmärkte, versuchen mit aggressiver Industriepolitik Branchen zu Hause zu fördern, die lange als deutsche Schlüsselbranchen galten: Automobile, Maschinen und Chemie. Hinzu kommt eine verfehlte deutsche Haushaltspolitik: Unter Finanzminister Christian Lindner bremst der Staat in der Konjunkturkrise die Wirtschaft, statt sie anzuschieben.

Wichtig und richtig wäre es deshalb, vieles umzusetzen, zu dem wir in der Hans-Böckler-Stiftung die vergangenen Jahre gearbeitet haben: Brückenstrompreis, um Planungssicherheit für die Dekarbonisierung zu schaffen, ein massives Programm für öffentliche Investitionen, eine echte und gezielte Industriepolitik für Schlüsselbranchen und eine konjunkturgerechte Finanzpolitik. Für all diese Maßnahmen werden wir weiter argumentieren.

Prof. Dr. Sebastian Dullien ist der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. 

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