Quelle: Peter Himsel
Service aktuellJahresausblick 2023: Auf den sozialpartnerschaftlichen Erfolgen der Krisenjahre aufbauen
Vorsichtiger Optimismus: Zwar wird Deutschland Anfang 2023 immer noch eine Rezession erleben, aber diese dürfte eher mild ausfallen. Dies ist einer überlegten und angemessenen Reaktion von Politik und Tarifparteien zu verdanken, schreibt Sebastian Dullien.
[9.1.2023]
Die frühlingshaften Temperaturen zum Jahresbeginn nach der Kältewelle im Dezember eignen sich gut als Sinnbild der konjunkturellen Aussichten: Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vor gut zehn Monaten haben wir am IMK unserer Prognose für Deutschland zum besseren revidiert. Zwar wird nach unserer Einschätzung das Land Anfang 2023 immer noch eine Rezession erleben, aber diese Rezession dürfte nach aktuellem Datenstand eher mild ausfallen. Für das Gesamtjahr rechnen wir mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von gerade einmal 0,3 Prozent. Ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit dürfte ausbleiben, zudem dürfte die Inflation spürbar zurückgehen.
Dass Deutschland nun die Chance hat, den Energiepreisschock mit einem blauen Auge zu überstehen, ist nicht zuletzt der überlegten und angemessenen Reaktion von Politik und Tarifparteien zu verdanken. Schnell war klar, dass angesichts des historisch einmaligen Schocks die Tarifpolitik allein kurzfristig die Inflation gesamtwirtschaftlich nicht würde voll ausgleichen können. Nach Gesprächen mit den Sozialpartnern im Rahmen der von Bundeskanzler Olaf Scholz einberufenen „konzertierten Aktion“ bemühte sich deshalb die Finanzpolitik, die verbleibenden Kaufkraftverluste zumindest zu mildern. Mit den drei großen Entlastungspaketen, aber insbesondere mit den Preisbremsen für Gas, Wärme und Strom hat die Regierung erfolgreich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gestützt, den Stimmungsabsturz bei Unternehmen und Konsument*innen gestoppt und den Preisauftrieb gedämpft.
Für das kommende Jahr bleiben Risiken und Schwierigkeiten: Insbesondere für Menschen mit kleinen bis mittleren Einkommen stellt die hohe Belastung durch die Inflation in vielen Fällen immer noch ein großes Problem dar. Die Notwendigkeit, über Lohnerhöhungen Kaufkraft zu sichern, um einen Konsumeinbruch abzuwenden, gleichzeitig aber nicht die Teuerung zusätzlich anzukurbeln, stellt die Tarifpolitik vor Herausforderungen. Es gibt Sorgen, dass die Europäische Zentralbank mit ihren Zinserhöhungen übertreiben könnte und aus der sich abzeichnenden leichten Rezession eine tiefe Krise machen könnte. An den Energiemärkten wie im Ukraine-Krieg können immer noch böse Überraschungen lauern. Und zuletzt bleibt die Frage, wie wir in Deutschland nicht nur gute Dienstleistungsjobs schaffen, sondern auch gute Beschäftigung in der Industrie über die schwierige Phase hoher Energiepreise bei hohen Investitionsbedarfen für die Dekarbonisierung retten können.
Tatsache aber bleibt: Sozialpartnerschaftlich hat Deutschland das Jahr 2022 besser bewältigt, als es viele noch im Spätsommer befürchtet hätten. Nun müssen wir auch gemeinsam an der Überwindung der noch anstehenden Herausforderungen und Schwierigkeiten arbeiten. Eine umfangreiche Analyse bietet unsere neue IMK-Studie „Wirtschaftspolitischen Herausforderungen 2023“.
Das vergangene Jahr hat gezeigt, wie gut ökonomische Gefahren abgewendet werden können, wenn Sozialpartner und Staat gemeinsam an einem Strang ziehen. Auf dieser Erfahrung sollte das Land 2023 und in den Jahren danach aufbauen.
Prof. Dr. Sebastian Dullien ist Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
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