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HSI-Direktorin Johanna Wenckebach mit einem Zitat zum Streik der Krankenhausbeschäftigten Service aktuell

Rechtswissenschaftliche Forschung: Gewerkschaftsrechte heute – für gute Arbeit morgen

In Zeiten der Transformation ganzer Wirtschaftszweige kommt dem rechtlichen Rahmen gewerkschaftlichen Handelns eine besondere Bedeutung zu, schreibt Johanna Wenckebach.

[4.7.2022]

In Berlin fand am 23. und 24. Juni der Jubiläumskongress des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht (HSI) unter der Überschrift „Gewerkschaftsrechte heute“ statt. Zugegeben: es war die Nachfeier eines runden Geburtstags. Das HSI wurde am 29. April 2010 gegründet und betreibt seit inzwischen über zwölf Jahren arbeits- und sozialrechtliche Forschung. Leider war es erst jetzt möglich, Diskussionen auch mit Begegnungen zu verbinden. Und angesichts der aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen gab es viel darüber zu diskutieren, welche Rolle Gewerkschaften spielen können, um auch in Zukunft gute Arbeit zu gestalten.

So wurde im Bundeskanzleramt am 14. Juni die „Allianz für Transformation“ als Leitdialog von Entscheiderinnen und Entscheidern aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden mit dem erklärten Ziel ins Leben gerufen, den Transformationsprozess in Deutschland zu unterstützen. Zahlreiche Branchen sind von fundamentalen Umbrüchen betroffen, die begonnen haben oder absehbar sind. Arbeitsplatzsicherheit und Standortsicherung sind zentrale Herausforderungen für eine sozial gerechte Gestaltung der Transformation. Gewerkschaften und die betriebliche Mitbestimmung sind bei diesen Umbrüchen besonders gefordert. Tarif- und betriebspolitische Konzepte zum Standorterhalt, für Beschäftigungsgarantien oder Investitionszusagen werden bereits jetzt entwickelt und in der betrieblichen Praxis umgesetzt. Das traurige Beispiel Ford Saarlouis zeigt, wie groß der Handlungsbedarf ist, eigene Konzepte und Gegenmacht zu entwickeln. Ein Gutachten des HSI, das zugleich auf dem Kongress und im Handelsblatt diskutiert wurde, zeigt den rechtlichen Rahmen gewerkschaftlichen Handelns auf – dieser ist, wie Gewerkschaftsrechte es häufig sind, umstritten.

Auf dem Podium des Kongresses verteidigte ver.di-Kollege Hasan Özer den Streik am Hafen gegen Roland Wolf, den Vertreter der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Dessen Kritik am Streik führte BDA-Präsident Rainer Dulger vergangene Woche im Handelsblatt fort: „Vielleicht brauche man einen "nationalen Notstand", der auch Streikrecht breche, sagte Dulger. Er sei aber auf keinen Fall dafür, das Streikrecht einzuschränken. Genau das aber bedeutet seine Aussage. Zeitgleich hat in Großbritannien das Parlament gerade ein Gesetz verabschiedet, das den Einsatz von Leiharbeit zum Streikbruch legalisiert.

Ein weiteres aktuelles Beispiel für den Kampf um Gewerkschaftsrechte wurde ebenfalls intensiv diskutiert und aus den Perspektiven gewerkschaftlicher Praxis und Rechtswissenschaft beleuchtet: Die Tarifbewegung von ver.di zur Schaffung von Entlastungstarifverträgen. Krankenhausbeschäftigte in Nordrhein-Westfalen sind seit inzwischen neun Wochen im Streik. Sie kämpfen nicht nur um bessere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten und einen Tarifvertrag, der Entlastung in der Pflegekrise bringt. Inzwischen kämpfen sie auch um das Streikrecht – ein zentrales Gewerkschaftsrecht: Die einstweilige Verfügung der Arbeitgeber gegen den Streik beim Arbeitsgericht Bonn war erfolglos und auch das Landesarbeitsgericht gab der Gewerkschaft recht. Die Streikziele seien hinreichend begründet und der Streik verhältnismäßig.

Auch dieses Beispiel zeigt, wie dringend es ist, Arbeitskampfrecht und Gewerkschaftsrechte in den Fokus rechtswissenschaftlicher Forschung zu nehmen. Denn über die Handlungsmöglichkeiten von Beschäftigten, die sich gewerkschaftlich organisieren, um die Gestaltung der Zukunft ihrer Arbeit in die Hand zu nehmen, um mitzubestimmen und sich zugunsten von tariflich geregelten Arbeitsbedingungen zu solidarisieren, wird auch vor Arbeitsgerichten entschieden.

Dr. Johanna Wenckebach ist die Wissenschaftliche Direktorin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung.

Weitere Informationen

Pressemitteilung zum Rechtsgutachten des HSI

Artikel im Handesblatt: Tarifverträge zur Standort- und Beschäftigungssicherung sind verfassungskonform

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