Quelle: Karsten Schöne
Service aktuellNeue Daten der repräsentativen Erwerbspersonenbefragung: Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Gefahr
Die finanziellen Belastungen sind auf einem Höchststand, die Gesellschaft wirkt stark verunsichert – Bettina Kohlrausch schildert die Probleme und erläutert, was nun an Unterstützung wichtig wäre.
[7.6.2022]
Die Ergebnisse der achten Befragungswelle der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung sind alarmierend. Sie zeichnen das Bild einer stark verunsicherten Gesellschaft, die mit wenig Zuversicht in die Zukunft blickt. Die Ängste speisen sich dabei nicht nur aus der sicherheitspolitischen Weltlage, sondern auch in sehr starkem Ausmaß aus materiellen Belastungen und Sorgen.
Insgesamt sind die finanziellen Belastungen auf einem Höchststand. Besonders stark leiden Personen in Haushalten mit geringerem Einkommen. So berichteten in den Einkommensgruppen bis maximal 2000 Euro netto 65 bis 75 Prozent von „äußersten“ oder „starken“ Belastungen durch die steigenden Preise. Besonders beunruhigend ist dabei, dass davon Menschen stärker betroffen sind, die schon während der Pandemie deutlich öfter Einkommenseinbußen hinnehmen mussten. Sie waren auch diejenigen, die besonders hohe sozio-emotionale Gesamtbelastungen zu tragen hatten und nun erneut in deutlich stärkerem Maße über Sorgen und Belastungen berichten.
Entsprechend empfindlich treffen die aktuellen Preiserhöhungen für Energie und Lebensmittel finanzschwächere Haushalte. Knapp 80 Prozent der Personen in Haushalten mit einem Einkommen von unter 1300 Euro und knapp 70 Prozent in Haushalten mit einem Einkommen unter 2000 Euro machen sich große Sorgen über die steigenden Preise.
Die großen finanziellen Belastungen der unteren Einkommensgruppen schlagen als gesamtgesellschaftliche Vertrauenskrise auf: Das Vertrauen in die Fähigkeit des Staates und der Gesellschaft, diese Belastungen aufzufangen, ist gering. So steht auf Platz drei der häufigsten Sorgen, die Sorge um die Zunahme der sozialen Ungleichheit, auf Platz vier die Sorge um den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft.
Die Daten der Erwerbspersonenbefragung zeigen damit, wie wichtig es ist, die unteren Einkommensgruppen mit zusätzlichen Einmalzahlungen zu unterstützen. Es geht dabei um viel mehr als um die dringend notwendigen Entlastungen für diejenigen, die schon unter der Pandemie am stärksten gelitten haben – es geht um den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Prof. Dr. Bettina Kohlrausch ist Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung (WSI).
Weitere Informationen
- Pressemitteilung zur Befragung: Große Sorgen um wirtschaftliche Situation
- Systemrelevant Podcast: Die Inflation stellt die Verteilungsfrage neu
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