Quelle: Karsten Schöne
StipendienPreisträger*innen 2024: Stefanie Gärtner: Den Geheimnissen eines hochgiftigen Metalls auf der Spur
„Die Erforschung von Neuem, das wiederum irgendwann in anderen Bereichen einen Impact bedeuten kann, ist ein Privileg.“
Stefanie Gärtner liebt es zu knobeln. Von „kristallographischen Nüssen“, die es zu knacken gelte, spricht die Chemikerin – und findet damit ein plastisches Bild für das, was sie tut. Die akademische Oberrätin an der Universität Regensburg forscht zu Salzen. Aber eben nicht zu herkömmlichen, schon lange gut erforschten. „Klassische Salze bestehen für gewöhnlich aus Metallen und Nichtmetallen, der wohl bekannteste Vertreter ist das Kochsalz, chemisch Natriumchlorid“, erklärt Gärtner. „Viel weniger bekannt ist, dass auch Metalle untereinander spannende salzartige Verbindungen, sogenannte Zintl-Phasen, mit hochinteressanten Eigenschaften ausbilden.“ Und so richtig wenig wisse man bislang über die Strukturen, die aus der Verbindung des extrem schweren und extrem giftigen Thallium mit anderen metallischen Elementen entstehen können. Unter anderem das möchte die Wissenschaftlerin mit einer von ihr geleiteten Nachwuchsforschungsgruppe ändern.
Gärtner, geboren 1982 in Heilbronn und Mutter dreier Kinder, ist Chemikerin aus tiefster Überzeugung. Ihre Faszination für die Welt der Atome und Moleküle reicht bis zurück ins Grundschulalter, als Chemiker*innen aus dem familiären Umfeld mit ihr zusammen experimentierten. Der Berufswunsch war die logische Folge. „Ich wollte schon früh Chemikerin werden“, erzählt sie, „ursprünglich allerdings in einem den Lebenswissenschaften näheren Bereich.“ Doch dann habe sie in ihrem Studium in Regensburg, wo sie mit der Bestnote summa cum laude promoviert wurde und derzeit an der Habilitation arbeitet, ihr Interesse an Grundlagenforschung entdeckt.
„Es gibt nur 82 stabile Elemente auf der Erde“, sagt sie. „Sie alle adäquat zu verstehen, ist unsere Aufgabe.“ Thallium – weich, silbergrau und bleiähnlich – stellt dabei als sehr schweres Metall besondere Herausforderungen an die Analytik. Die Röntgenstrukturanalyse, mit der kristalline Verbindungen gemeinhin untersucht werden können, sei hier wegen der starken Absorption von Röntgenstrahlen durch dieses Element lange Zeit an Grenzen gestoßen, erläutert Gärtner. „Dank moderner Röntgendiffraktometer können wir jetzt spannende und neue Einblicke in die Strukturchemie von Thallium gewinnen.“
Neben der Lehre sei derartige Grundlagenforschung die Hauptaufgabe von Universitätsangehörigen, findet die Wissenschaftlerin. „Die Erforschung von Neuem, das wiederum irgendwann in anderen Bereichen einen Impact bedeuten kann, ist ein Privileg.“ Generell bedeuten neue Einblicke in die Strukturchemie auf längere Sicht einen Beitrag zur Materialwissenschaft mit Relevanz für die chemische Industrie. Und nicht selten hat das Knobeln, das Tüfteln an Problemen und Herausforderungen, dann doch ganz direkte Folgen – indem es zum Beispiel seine Anwendung findet in verbesserter Analysesoftware. „Als Anwenderinnen und Anwender an den Grenzen der Möglichkeiten der Methoden sind wir immer mit den Entwicklern im Austausch.“
Als Forscherin im viel zitierten Elfenbeinturm darf man sich Stefanie Gärtner nicht vorstellen: Seit zehn Jahren organisiert sie den Girls‘ Day an ihrer Fakultät und betreut Schüler*innen bei ihrem Betriebspraktikum. Um die Faszination für Chemie, die sie schon als Kind hatte, auch an andere junge Menschen weiterzugeben, wie sie sagt.