Quelle: Ulrich Baatz
StipendienPreisträger*innen 2018: Daniel Bellingradt: Was der Papierhandel alles beeinflusst
„Für mich ist es faszinierend, dass die historischen Papiermärkte uns an die materiellen und wirtschaftlichen Bedingungen von Kommunikationszusammenhängen erinnern.“
Ohne Papier gibt es keine Zeitungen, keine Bücher, keine Verwaltungsakten: Worüber Digital Natives im Internetzeitalter nur verständnislos den Kopf schütteln können, war für rund 600 Jahre lang selbstverständlich: Seit der Einführung von Papier in Europa im 14. Jahrhundert prägt das Material Öffentlichkeiten, Publizistik und Verwaltungen. Papier ist als Material so selbstverständlich in unsere Kultur integriert, dass selbst Historiker sich kaum mehr Gedanken darüber gemacht haben.
Dr. Daniel Bellingradt, seit 2014 Juniorprofessor für Buchwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, will das ändern. Er untersucht die Bedeutung, die Amsterdam im 17. und 18. Jahrhundert als damals bedeutendster Papiermarkt in Europa für die wachsende Nachfrage nach Papier in Druckereien, Verlagswesen und Verwaltungen hatte. „Für mich ist es faszinierend“, sagt der Buchwissenschaftler, „dass die historischen Papiermärkte uns an die materiellen und wirtschaftlichen Bedingungen von Kommunikationszusammenhängen erinnern.“ Bellingradt, geboren 1978 in Würselen, hat neben Geschichte auch Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Anglistik studiert, in Berlin und Dublin, diese Interessen bereits bei seiner Promotion zusammengeführt: Seine 2010 abgeschlossene Dissertation handelt von Flugschriften an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Später beschäftigte er sich als wissenschaftlicher Mitarbeiteran der Universität Erfurt in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt mit „Publizistik als Handelsware“, ebenfalls bezogen auf die frühe Neuzeit.
Und nun geht es ihm um die elementare Voraussetzung für all das: das Papier. „Wenn in Amsterdam kein Papier verfügbar ist, dann kommen in Europa die Zeitungsherausgeber, die Buchdruckereien und selbst die fürstlichen Verwaltungen allmählich zum Stillstand“, erklärt er. „Die Verfügbarkeit der Ware Papier bestimmt die Taktungen und Rhythmen von Publikationen und Verwaltungstätigkeiten – und somit letztendlich von großen Teilen der Kommunikationsaktivität jener Zeit.“ Bellingradt will die Papiermärkte analysieren und als Netzwerke sichtbar machen. Er will zeigen, dass die von Kommunikationsforschern viel beschriebene „Medienrevolution“ der frühen Neuzeit ohne eine solche Wirtschaftsgeschichte des Papierhandels nicht vollständig erzählt werden kann. Und er will zum Nachdenken anregen darüber, wovon auch Zeitungen heute abhängig sind, wenn schon nicht mehr vom Papier: „Im historischen Analysieren“, sagt Daniel Bellingradt, „schärft sich so der Blick auf die Konditionen gegenwärtiger Kommunikationsbedingungen.“