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Konferenz für Aufischtsräte 2020 Magazin Mitbestimmung

Arbeitnehmervertretung: Zukunftsvisionen per Chat

Ausgabe 04/2020

Die Böckler-Konferenz für Aufsichtsräte fand wegen Corona virtuell statt. 400 Aufsichtsratsmitglieder diskutierten im Livestream über die Transformation der Wirtschaft. Von Joachim F. Tornau

Die Wirtschaftskorrespondentin der taz, Ulrike Herrmann, brachte das Tagesthema auf eine griffige Formel: „Es muss sich alles ändern, obwohl sich gerade in der Corona-Krise gar nichts ändert.“ Kurzfristig geht es auch für Mitbestimmungspraktiker darum, die Wirtschaftsstruktur so, wie sie ist, durch die Corona-Pandemie zu retten. Mittel- und langfristig führt angesichts der Digitalisierung und des Klimawandels kein Weg an einem Umbau der Wirtschaft vorbei. Diese Transformation sozial und ökologisch zu gestalten, das ist die Herausforderung.

Wie das gelingen kann und welche Rolle die Mitbestimmung dabei spielt, wurde am 17. Juni unter dem Titel „Die Krise meistern – Transformation mitbestimmen“ auf der Aufsichtsrätekonferenz des DGB und der Hans-Böckler-Stiftung diskutiert. Statt einer realen Zusammenkunft der Arbeitnehmervertreter konnte es wegen Corona erstmals nur eine per Livestream übertragene Podiumsdebatte in Berlin geben. Das Publikum aus rund 400 zugeschalteten Aufsichtsratsmitgliedern diskutierte per Chat und Telefon mit.

In einer ersten Runde tauschten sich der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, Peter Clever von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der grüne Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Anton Hofreiter, und Ulrike Herrmann aus. Über die Notwendigkeit, die Corona-Folgen mit einem europäischen Investitionsprogramm abzufedern, herrschte dabei noch Einigkeit. Auch dass die Unternehmensmitbestimmung in der Krise erneut ihre Stärke bewiesen hat, wollte niemand bestreiten. Doch die Einigkeit endete schnell, als es um die Verantwortung für eine gerechtere Globalisierung ging. Während Arbeitgebervertreter Clever jedem Versuch, deutsche Unternehmen für Menschenrechtsverstöße ihrer weltweiten Zulieferer haftbar zu machen, eine Absage erteilte, forderten Hoffmann und Hofreiter Handelsverträge mit klaren Regeln. „Es wäre schon viel gewonnen“, sagte der DGB-Vorsitzende, „wenn wir die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation endlich international durchsetzen würden.“

Um die Praxis der Transformation ging es in der zweiten Runde. Andrea Kocsis, stellvertretende Vorsitzende von Verdi und im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG, mahnte an, dass bei der versprochenen Weiterqualifikation der Beschäftigten noch nicht genug passiere. IG-Metall-Vorstand Irene Schulz, Mitglied im Audi-Aufsichtsrat, warb dafür, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie zu verankern.

Mit Sylvia Borcherding, Arbeitsdirektorin und Geschäftsführerin Personal des Stromnetzbetreibers 50Hertz Transmission, appellierte auch eine Unternehmensvertreterin an die Arbeitnehmer, sich einzumischen: „Es gibt im Moment eine Riesenchance für die Gewerkschaften, sich in dieser Diskussion zu positionieren.“ Die Mitbestimmung müsse auch für nachfolgende Generationen attraktiv sein, forderte Sebastian Burdack, Böckler-Experte und ehrenamtlicher Hauptvorstand der Jugend der IG BCE – was viel Zustimmung fand. Daniel Hay, seit August neuer Direktor des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.), zeigte sich am Ende „sehr begeistert“ von dem neuartigen Format – auch wenn ihm, wie er sagte, „der direkte Austausch“ mit den anderen Teilnehmern gefehlt habe.

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