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Magazin MitbestimmungRätselhaftes Fundstück: Wissen statt Blumen
Als der IG-Metall-Vorsitzende Otto Brenner 1972 überraschend stirbt, haben Familie und Gewerkschaftsspitze eine Idee: Statt Blumen und Kränzen sollen die Trauergäste Geld für eine Stiftung spenden, die seine Ideen wissenschaftlich fortführt. Von Guntram Doelfs
Eugen Loderer wirkt ernst, aber gefasst, als er sich am 15. April 1972 an den Tisch mit dem Kondolenzbuch setzt. Dort steht ein gerahmtes Porträt Otto Brenners, des Ersten Vorsitzenden der IG Metall, neben einem Strauß roter Nelken. Loderer, zu diesem Zeitpunkt Zweiter Vorsitzender, zückt den Füllfederhalter und trägt sich ein, schweigsam verfolgt vom restlichen IG Metall-Vorstand. Es ist ein Gruppenbild mit Dame: Die spätere Bundesfamilienministerin Anke Fuchs ist die einzige Frau im Vorstand der Gewerkschaft.
Direkt hinter Loderer, der bald die Nachfolge Brenners als IG-Metall-Vorsitzender antreten wird, wirft Vorstandsmitglied Fritz Strothmann (2. v. l.) einen strengen Blick auf den Eintrag von Loderer. Strothmann teilt mit etlichen der hier Versammelten eine bewegte Lebensgeschichte – von Erfahrungen im Konzentrationslager der Nazis wie bei Strothmann bis hin zu traumatischen Kriegserlebnissen, wie sie Georg Benz (links) und Wilhelm Michels (4. v. l.) durchlebt haben. Auch Hans Mayr (2. v. r.) ist ein Kriegsveteran – und ein gewiefter Taktiker in allen Fragen der Tarifpolitik. Elf Jahre später wird er IG-Metall-Chef sein und eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung der 35-Stunden-Woche spielen.
Der Tod Brenners, der im Frankfurter Universitätsklinikum an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung gestorben ist, trifft alle unvorbereitet. Seit 1956 hat er – gewerkschaftliches Urgestein – die Metaller-Gewerkschaft geführt. Während der Planungen für die Trauerfeier in der Frankfurter Paulskirche reifen Überlegungen zwischen Brenners Witwe Martha und dem IG-Metall-Vorstand darüber, wie das Wirken des Verstorbenen am besten gewürdigt werden könnte: durch die Gründung einer Stiftung Otto Brenner statt Kranz- und Blumenspenden.
Die neue Stiftung habe den Zweck, „die Gewerkschaftsarbeit durch wissenschaftliche und praktische Forschungen, besonders auch auf dem Gebiet der internationalen gewerkschaftlichen Zusammenarbeit, zu fördern“, heißt es in einem Schreiben, das Brenners engste Vertraute Hans Preiss und Fritz Opel aufsetzen. Im Juli 1972 wird die Wissenschaftsstiftung der IG Metall gegründet. Anfangs fördert sie vor allem arbeitsrechtliche Literatur. Heute, 50 Jahre später, zählt die Otto Brenner Stiftung zu den profiliertesten Stiftungen in der deutschen Gewerkschaftsbewegung.
Rätselfragen
- Otto Brenner musste als Kind arbeiten, um zum Familieneinkommen beizutragen. Welche Tätigkeit übte er aus?
- Die Trauerrede auf Brenner in der Paulskirche hielt ein sehr berühmter SPD-Politiker. Wer ist gemeint?
- Eine Analyse der Otto Brenner Stiftung über die Berichterstat- tung zur Finanzkrise attestierte dem Wirtschaftsjournalismus ein handfestes Versagen. In welchem Jahr erschien sie?
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Auflösung der Rätselfragen 5/2022
- 2015
- Appellation d’Origine Contrôlée
- 274 und 275