zurück
Stahlproduktion bei ArcelorMittal in Hamburg Magazin Mitbestimmung

Industrie: „Wir werden nicht alles halten können“

Ausgabe 06/2022

Die hohen Preise für Strom und Gas bedrohen die energieintensiven Industrien in der Substanz. Erste Stilllegungen sind die Folge. Eine Debatte, welche Produktionen im Land bleiben ­sollen, ist überfällig. Von Kay Meiners und Andreas Molitor

Wenn Rolf Langhard vom Parkplatz des Rheinwerks im nordrhein-westfälischen Neuss aus nach Südwesten schaut, sieht er auch an Tagen mit strahlend blauem Himmel in der Ferne dicke Wolkenberge – Wasserdampf von den gewaltigen Kühltürmen des Braunkohlenkraftwerks im 20 Kilometer entfernten Neurath. „Unser Wolkenmacher“, scherzt der Betriebsratsvorsitzende der Aluminiumhütte. In dem Kraftwerksboliden, 1972 ans Netz gegangen, verheizt der Stromriese RWE Braunkohle aus dem konzerneigenen Tagebau Hambach und erzeugt daraus Strom – zu traumselig günstigen Kosten.

Das zum Aluminiumspezialisten Speira gehörende Rheinwerk wiederum benötigt Strom in rauen Mengen. In dem Neusser Werk wird aus dem Erz Bauxit in mehreren Schritten Aluminium gewonnen. Finaler Schritt ist das Erschmelzen des Rohaluminiums aus Aluminiumoxid in langen Reihen großer Öfen. Aluminium ist leicht, praktisch, fast unverwüstlich und – auf lange Sicht – unschlagbar in seiner Energiebilanz. Anders als Stahl oder Kunststoff ist es fast unbegrenzt wiederverwertbar, und mit jeder neuen Verwendung verbessert sich seine Ökobilanz. Allerdings birgt die Herstellung ein gravierendes Problem: Sie verschlingt gigantische Mengen Elektrizität. Die Elektrolyseöfen verbrauchen 14 bis 15 Mega­wattstunden Strom für die Produktion einer Tonne Aluminium – damit kann ein 300-Liter-Kühlschrank mehr als 80 Jahre lang kühlen.

Den preiswert erzeugten Strom aus dem Neurather Kraftwerk könnten die Neusser Aluminiumschmelzer gut gebrauchen. Doch RWE verkauft seinen Braunkohlenstrom nicht zu Erzeugerpreisen ans Rheinwerk, sondern zu aktuellen Marktpreisen am Spotmarkt. Und die sind seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs in schwindelnde Höhen geschnellt. Nicht zuletzt dank der auf Volllast laufenden alten Braunkohlenmeiler fuhr RWE im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von 2,8 Milliarden Euro ein, eine Milliarde mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Damit wäre der Essener Konzern ein sicherer Kandidat für die Übergewinnsteuer – genauso allerdings die Betreiber von Windparks und Solarkraftwerken.

Für die Arbeitsplätze an den Schmelzöfen des Rheinwerks dagegen sind hohe Strompreise existenzbedrohend. Schon vor dem Ukrainekrieg schwebten die im Vergleich zum Ausland deutlich höheren Energiekosten wie ein Damoklesschwert über dem Werk. Bis Anfang 2025 kann die Hütte noch mit alten, vor sieben Jahren zu Preisen von knapp unter fünf Cent pro Kilowattstunde eingekauften Stromkontingenten wirtschaften. Auch mit einem Strompreis von sechs oder sieben Cent könnte das Werk kostendeckend arbeiten, sagt Rolf Langhard – aber auf keinen Fall mit den Konditionen der jetzt beschlossenen Strompreisbremse, also mit 13 Cent für 70 Prozent der bisher verbrauchten Strommenge. Bei diesem Preis würde allein der Strom zur Erzeugung einer Tonne Aluminium deutlich mehr kosten als der Erlös aus dem Verkauf des Metalls. Der Betriebsratsvorsitzende kann seinen Rheinwerkern derzeit nichts versprechen, nicht mal fünf Jahre Gnadenfrist. Fest steht nur: „Wenn wir bis Anfang 2025 keinen bezahlbaren Industriestrom haben, gehen hier die Öfen aus und werden nie wieder hochgefahren.“

Stromhandel rettet die Bilanz

In seiner Not hat das Speira-Management jetzt einen Teil des alten Stromkontingents mit hohem Gewinn am Spotmarkt verkauft, „zu einem Preis, der beim Zehn- bis Fünfzehnfachen der Einnahmen liegt, die sich erzielen lassen, wenn wir mit dem Strom Aluminium erzeugen“, erklärt Langhard. Das bringt Geld in die Kasse und sichert für eine Zeit lang das Überleben der Hütte, aber es verkürzt ihre Restlebensdauer. Weil weniger Strom für die Produktion zur Verfügung steht, wurden ab Anfang Oktober die Hälfte der Elektrolyseöfen heruntergefahren und 125 Jobs gestrichen. Gute, tarifgebundene Arbeitsplätze gehen verloren. „Unsere Schichtarbeiter leisten harte, gut bezahlte Arbeit“, erzählt Langhard. „3000 bis 3500 Euro netto – wo sollen sie denn so was noch mal herkriegen?“

Nicht besser als das Rheinwerk sind die anderen drei Aluminiumhütten in Deutschland dran, die alle zur Essener Trimet Aluminium SE gehören. Selbst Michael Vassiliadis, der in der Vergangenheit stets für die Arbeitsplätze in der Alu-Branche gekämpft hat, sorgt sich um die Zukunft dieser Industrie. „Wir müssen einiges tun, damit wir in zehn Jahren in Deutschland noch Aluminium herstellen werden“, sagt der IG BCE-Vorsitzende.

Es trifft auch andere Industrien

Bedrohlich eng wird es aber nicht nur für die Aluminiumhersteller. Auch in anderen energieintensiven Industriezweigen, einem Großteil der Chemiebranche sowie bei Glas, Papier, Zink und Stahl, herrscht Alarmstimmung. Derzeit vergeht kaum eine Woche ohne Meldungen über Produktionskürzungen, Anlagenstilllegungen oder auf Eis gelegte Investitionsvorhaben in diesen Branchen, die in Deutschland fast 900 000 Menschen beschäftigen. So hat die Zinkhütte im niedersächsischen Nordenham ihre Produktion Anfang November für ein Jahr komplett eingestellt. Hauptabnehmer des Zinks ist die Stahlindustrie – und die ist ebenfalls voll im Krisenmodus.

An drei von vier deutschen Standorten von ArcelorMittal gibt es bereits Kurzarbeit. Im Hamburger Werk des Konzerns wurde wegen der hohen Energiepreise kürzlich eine mit Gas befeuerte Pilotanlage zur Direktreduktion von Eisenerz, ein wichtiger Baustein für die Erzeugung „grünen“ Stahls, außer Betrieb genommen. Die Stahlproduktion wird ergrünen, aber womöglich nicht in Deutschland, sondern in Ländern, wo grüner Wasserstoff preiswert und in Hülle und Fülle zur Verfügung steht: in Skan­dinavien, in Nordafrika und den Golfstaaten.

Ich weiß nicht, ob wir in zehn Jahren in Deutschland noch Aluminium herstellen werden.

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie

Der Energiepreisschock und die Rezessionsangst haben sich, so Michael Vassiliadis, „mittlerweile schon durch die Wertschöpfungsketten gefressen“. Er kenne etliche Unternehmen „mit vollen Auftragsbüchern, aber derart hohen Energiekosten, dass sie die Produktion lieber zurückfahren oder ganz einstellen“. Wenn deren Lieferungen dann andernorts fehlen, beispielsweise in der Autoindustrie, komme es dort zu Preissteigerungen und weiteren Produktionsausfällen. In der Statistik schlägt all dies schon durch.

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Gesamtproduktion der energieintensiven Branchen um mehr als zehn Prozent geschrumpft – einer der Gründe, warum die Bundesregierung im Winterhalbjahr 2022/23 eine „rückläufige Entwicklung“ erwartet, sprich eine Rezession. Im Schnitt dauerte eine Rezession in der Bundesrepublik je nach Definition drei bis vier Vierteljahre. Das zeigt die Forschung des Ökonomen Ullrich Heilemann. Am längsten dauerte, mit fünf Vierteljahren, die erste Ölkrise 1973/74. Das Vorkrisenniveau wird meist allerdings erst ein weiteres Jahr nach Ende der Rezession erreicht und „bei der Arbeitslosigkeit in der Regel erst sehr viel später“.

Dazu kommt, dass politische Interventionen meist zu spät kommen, um optimal zu wirken. „Eine aktuelle Rezession könnte man am ehesten mit den Energiepreisrezessionen der 1970er Jahre vergleichen“, sagt Heilemann. Aber einiges sei jetzt anders: „Früher haben die Saudis das Geld, das sie für ihr Öl bekamen, rasch in Nachfrage nach deutschen Produkten umgesetzt.“ Aber jetzt sind die Aussichten für die Weltwirtschaft ins­gesamt eher trüb, die Welt spaltet sich wieder stärker in Blöcke, und die Energielieferanten haben­ offenbar weniger Importhunger als früher.

Das führt laut Heilemann dazu, „dass uns dieses Mal die Exporte nicht so schnell aus der Rezession heraushelfen werden“. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung prognostizierte bereits Ende September ein Minuswachstum von einem Prozent. Die Bundesregierung ist etwas optimistischer und prognostiziert einen Rückgang um 0,4 Prozent. Die Geschäftserwartungen der Unternehmen und das Konsumklima liegen auf Tiefständen, die Inflationsrate wird voraussichtlich weiter über sieben Prozent liegen, die Arbeitslosenquote konstant bei unter sechs Prozent.

200 Milliarden sollen es richten

Die Regierung steuert nach Kräften gegen die Rezessionsgefahr. Insgesamt 200 Milliarden Euro sollen den Energienotstand lindern und die Preise­ für Gas und Strom auf ein erträgliches Niveau drücken. Für die Industrie bedeutet das einen Gaspreis von 7,5 Cent und einen Strompreis von 13 Cent pro Kilowattstunde – jeweils für 70 Prozent des Verbrauchs von 2021. Die Gaspreiskommission habe „insgesamt sehr gute Vorschläge gemacht“, um die Konjunktur zu stützen, die Inflation zu dämpfen und Anreize zum Sparen zu erhalten, schreiben die Ökonomen Sebastian Dullien und Jan-Erik Thie der Hans-Böckler-Stiftung in einem gemeinsam mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Isabella Weber verfassten Papier.

Allerdings stören die IMK-Forscher sich daran, dass die Gaspreisbremse auch schädliche Anreize setzt, weil Unternehmen das subventionierte Gas auch vollständig „am Markt verwerten“ dürfen. Das berge die Gefahr, dass die Gaspreisbremse als „Winterschlafprämie“ missbraucht werde. Firmen könnten ihre Produktion stilllegen und mit dem subventionierten Gas handeln, so, wie es die Neusser Aluminiumkocher mit dem günstigen Strom aus ihrem Altvertrag machen. Dies wiederum würde den wirtschaftlichen Abschwung noch beschleunigen. Sinnvoller sei es, nur Gas zu subventionieren, das auch wirklich in der Produktion eingesetzt wird.

Während die energieintensive Industrie zu den Verlierern der Energiekrise zählt, gehört ein erheblicher Teil der Energiebranche selbst zu den Gewinnen – so wie RWE, wo man den vergleichsweise günstig erzeugten Strom nun mit enormem Aufschlag verkaufen kann. Zwar wird RWE-Vorstandschef Markus Krebber nicht müde, zu betonen, wie weit der Konzern auf dem Weg vom Kohleverstromer zum „grünen“ Energiekon­zern vorangekommen sei. Fünf Milliarden Euro investiere das Unternehmen in diesem Jahr in den Ausbau erneuerbarer Energien. Ein Blick ins Internet belegt allerdings, dass die alten Braunkohlenmeiler zumindest derzeit mit Abstand am meisten zur jüngsten Gewinnexplosion des Unternehmens beitragen. Dort kann man RWE nämlich beim Stromerzeugen quasi zuschauen.

Auf einer digitalen Karte veröffentlicht der Konzern die realen Erzeugungsdaten seiner deutschen Standorte. An einem Nachmittag im November etwa zeigt sie für die Braunkohle eine stündliche Stromerzeugung von 6236 Megawatt an, bei Windanlagen 750 und bei Wasserkraft 150 Megawatt. Alles hochprofitabel. In seinen Tagebauen darf der Konzern bis 2030 weiterbaggern, so lange reicht die Braunkohle, die anschließend in den längst abgeschriebenen Kraftwerken des Unternehmens verbrannt wird. Das sind noch ein paar fette Jahre.

Das „New Normal“ ist ein Risiko

Bislang richtete sich der Blick auf die bange Frage, ob und wie das Land durch den Winter kommt. Michael Vassiliadis findet diese Fokussierung auf die nächsten Monate „fast ein bisschen überzogen“: Die Hilfen des Bundes sind unterwegs, die Speicher proppenvoll mit teuer eingekauftem Gas, die Wirtschaft hat ihren Gasverbrauch seit Jahresbeginn schon um rund 20 Prozent reduziert. „Die meisten Unternehmen sterben nicht von heute auf morgen.“ Der Weg durch die kommenden Monate ist einigermaßen gesichert. Außerdem deuten die Prognosen der Wirtschaftsforscher fast übereinstimmend auf einen vermutlich nicht allzu harten und langen Rezessionsverlauf hin.

Viel mehr Sorgen macht sich Vassiliadis, dessen Gewerkschaft die Beschäftigten fast aller energieintensiven Industrien außer dem Stahl unter ihrem Dach vereint, um die Zeit danach: „Wenn wir nicht ausreichend Gas sparen, könnte der Winter von 2023 auf 2024 sehr hart werden, weil wir möglicherweise nicht genug Gas haben.“ Dass es beim Gas im nächsten Jahr Engpässe geben könnte, befürchtet auch Fatih Birol, der Leiter der Internationalen Energieagentur. Schwierig werde es vor allem, wenn China seine Covidbeschränkungen aufhebt und damit den Wettbewerb um das verfügbare Gas, vor allem LNG, das mit Tankschiffen geliefert wird, noch weiter anheizt. Zudem fehlen in Deutschland bislang LNG-Terminals. In Wilhelmshaven ist das erste gerade fertig geworden, weitere sind im Bau.

Selbst wenn der Konjunktureinbruch nicht so arg wird, es bleibt das Problem dauerhaft höherer Energiepreise. Eine Rückkehr zu Industriestrompreisen von vier Cent pro Kilowattstunde erscheint auch langfristig ausgeschlossen. Beim Gas wiederum rechnet BASF-Chef Martin Brudermüller dauerhaft mit Preisen, die dreimal so hoch sind wie in den USA. „Gerade für die energieintensiven Unternehmen könnte das ‚New Normal‘ der Energiepreise kritisch werden“, sagt Michael Vassiliadis. „Wir landen dann auf einem Niveau, bei dem nicht klar ist, ob wir Teile unserer industriellen Wertschöpfungskette halten können.“

Das Gespenst der Deindustrialisierung geht um. Es ist viel bedrohlicher als die derzeitige Talsohle, die in zwei, drei Quartalen durchschritten sein dürfte. „Bleiben die deutschen Energiepreise auf dem derzeitigen Niveau, dann werden wir erleben, dass reihenweise Betriebe in deutschen Schlüsselindustrien schließen“, warnte jüngst Matthias Zachert, der Vorstandschef des Spezialchemie-Konzerns Lanxess.

Droht ein schleichender Exodus ganzer Branchen, so wie er sich bei der Aluminium­erzeugung abzeichnet? Selbst ein kluger Stratege wie Michael Vassiliadis lässt Skepsis anklingen. „Ich beteilige mich nicht an Spekulationen, welche Industrien wir noch wie lange haben“, sagt er. „Aber wir werden nicht alles halten können.“

  • Neubau des ersten deutschen Flüssiggas-Terminals in Wilhemshaven: Anschaffung und Unterhalt aller schwimmenden Terminals kosten Deutschland jetzt rund 6,6 Milliarden Euro, doppelt so viel wie geplant.
    Neubau des ersten deutschen Flüssiggas-Terminals in Wilhemshaven: Anschaffung und Unterhalt aller schwimmenden Terminals kosten Deutschland jetzt rund 6,6 Milliarden Euro, doppelt so viel wie geplant.

Manche würden gerne abschalten

Der eine oder andere dürfte bei dieser Aussicht sogar frohlocken. Manche sehen Aluhütten und Chemiewerke primär als Stromfresser und CO₂-Schleudern, die man schnell sterben lassen soll. Versorgen kann man sich schließlich am Weltmarkt. „Es gibt Kräfte in der Politik, die meinen, so etwas wie die Aluminiumindustrie gehöre nicht nach Deutschland“, bestätigt Vassiliadis. In der Gaspreiskommission beispielsweise habe er Leute erlebt, „die gesagt haben: Was soll das mit dem Gas sparen? Wir schalten die Industrie einfach ab.“ Aber wozu würde ein Exodus führen? Wenn beispielsweise neue Aluhütten in China, schon heute mit riesigem ­Abstand größter Aluminiumproduzent der Welt, errichtet werden, entstehen dort neue Arbeitsplätze – natürlich nicht mitbestimmt und tarifgebunden wie jene in der Neusser Rheinhütte. Zudem setzt China bei seiner Energieversorgung in den nächsten Jahren noch einmal voll auf Kohle. Mehr als 200 neue Kohlekraftwerke sind im Bau. Wandert die Aluminiumherstellung aus Deutschland ab, verringert sich zwar hierzulande der CO₂-Ausstoß, aber nur, weil wir die Emissionen nach China verschieben.

Kein Fortschritt fürs Weltklima, sondern ein Rückschritt. Ein Verzicht auf weite Teile der Grundstoffindustrie würde Deutschland zudem in neue Abhängigkeiten stürzen und politisch erpressbar machen. Die Zeiten, in denen die Kosten den alleinigen Ausschlag bei Standortentscheidungen und beim Rohstoffbezug gaben, sind vorbei – das ist die Lehre aus dem Desaster ums russische Erdgas. Außerdem, warnt Michael Vassiliadis, nähme „unser fein gesponnenes industrielles Innovations- und Effizienznetz großen Schaden. Mit jedem zerschnittenen Faden sinkt der Nutzen dieses Netzwerks“.

Vassiliadis will für die Arbeitsplätze in den energieintensiven Branchen kämpfen. Ein Patentrezept für auskömmliche Strompreise kann auch er nicht vorweisen. Der Ausbau der Erneuerbaren zieht sich hin, vor allem der Ausbau der Netzinfrastruktur hinkt hinterher. Eine erneute Laufzeitverlängerung für die letzten drei Atommeiler ist mit dem Machtwort von Bundeskanzler Scholz endgültig vom Tisch. Und noch einmal mit Russland ins Gasgeschäft zu kommen, erscheint erst recht undenkbar. Auf derart vage Gedankenspiele baut kein Vorstandschef.

Einen erneuten Subventions-Kraftakt wie den 200-Milliarden-„Doppelwumms“ wird Deutschland sich nicht leisten können. IMK-Direktor Dullien sagt: „Um mittel- und langfristig eine bezahlbare Energieversorgung sicherzustellen, muss massiv der Ausbau der eneuerbaren Energien gefördert werden.“ Bei erfolgreicher Dekarbonisierung „dürften die Energiekosten in Deutschland wieder deutlich niedriger sein als heute“.

Aber bis dahin? Michael Vassiliadis denkt darüber nach, künftige Finanzspritzen – ganz ohne werde es nicht gehen – zielgenauer einzusetzen als bei der Strom- und Gaspreisbremse. „Wir könnten die energieintensiven Industrien bevorzugt mit subventionierten Kontingenten regenerativer Energie versorgen“, schlägt er vor. Die bekämen den grünen Strom also zuerst und zu vertretbaren Preisen. „Aber dazu“, schließt er, „müssen wir erst die Grundfrage klären, ob wir diese Industrien in Deutschland möglichst schnell loswerden oder weiter haben wollen.“

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen