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Magazin Mitbestimmung

Die Fragen stellte MARGARETE HASEL: Wie halten Sie es mit der Mitbestimmung?

Ausgabe 04/2017

Interview Am 14. Mai wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Von den Spitzen­kandidaten von SPD und CDU, Hannelore Kraft und Armin Laschet, wollten wir wissen, welchen Stellenwert sie der Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Gestaltung der Zukunft beimessen.

Die Fragen stellte MARGARETE HASEL

Mit seiner Entschließung „Mitbestimmung zukunftsfest gestalten“ hat sich der Bundesrat im Februar dieses Jahres die DGB-Forderung zu eigen gemacht, dass Lücken im Mitbestimmungsgesetz geschlossen werden müssen. Adressat ist die Bundesregierung. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass dieser Aufforderung Taten folgen?

Hannelore Kraft: Wir haben aus Nordrhein-Westfalen heraus diese Bundesratsinitiative gestartet, damit Lücken und Schlupflöcher im deutschen und europäischen Recht geschlossen werden. Wir fordern den Bund auf, die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch im Zuge der Digitalisierung zu sichern. Und angesichts der fortschreitenden Globalisierung der Wirtschaft muss die Mitbestimmung auch auf der Ebene der deutschen Tochtergesellschaften multi­nationaler Konzerne erhalten bleiben. Damit wir das umsetzen können, wollen wir die kommende Bundesregierung anführen.

Armin Laschet: Mitbestimmung halte ich für eine zentrale demokratische Errungenschaft. Angesichts des gesellschaftlichen Wandels und der strukturellen Veränderungen in Betrieben und Unternehmen sollten wir den Mitbestimmungsbegriff und die Arbeit der Mitbestimmungsgremien überprüfen – im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine Regierung unter meiner Führung wird sehr genau nachhalten, inwieweit die Bundesregierung der Aufforderung des Bundesrats nachkommt, die gesetzliche Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erhalten, auszubauen und den neuen Herausforderungen anzupassen.

NRW ist wie kein anderes Bundesland eng mit der Mitbestimmung verwoben. Nun wird mit dem Ende der Steinkohleförderung 2018 auch ein Kapitel der Montanmitbestimmung geschlossen. Was bleibt?

Kraft: Sie bleibt ein Stabilitätsanker. In Stahlunter­nehmen mit Montanmitbestimmung bleiben für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr weitreichende Mitsprachemöglichkeiten. Die enge Sozialpartnerschaft der Montanmitbestimmung hat die Geschichte Nordrhein-Westfalens geprägt. Ohne sie wäre die Gestaltung des Strukturwandels nicht möglich gewesen. Und wir brauchen weiterhin eine starke Mitbestimmung im Zuge aktueller Veränderungsprozesse, wie sie fortschreitende Globalisierung und Digitalisierung darstellen. Das starke Miteinander der Montanmitbestimmung gehört zur DNA unseres Landes.

Laschet: Der erste Ministerpräsident, Karl Arnold, und die CDU in Nordrhein-Westfalen gehörten zu den Wegbereitern der Montanmitbestimmung in Deutschland, von daher ist es uns nicht gleichgültig, wenn dieser traditionsreiche Wirtschaftszweig 2018 an sein Ende gelangen wird. Wir halten dieses Erbe hoch. Die Mitbestimmung gehört wie die duale Ausbildung und die Selbstverwaltung der Wirtschaft in den Kammern zu den tragenden Säulen unseres Wirtschaftssystems. Sie sind feste Bestandteile der Erfolgsgeschichte Nordrhein-Westfalens. Ich kann heute zusagen: Unter einem Ministerpräsidenten Armin Laschet bleibt die Montanmitbestimmung in der Braunkohle erhalten. Mit klarer Perspektive.

Wie können und wie werden Sie die Akteure der Mitbestimmung in Betrieb und Aufsichtsrat in ihrem Einsatz für den Erhalt von Standorten, für gute Arbeit, für eine demokratische Unternehmenskultur unterstützen?

Laschet: Ich will, dass im Industrieland Nummer eins auch endlich wieder ein industriefreundliches Klima herrscht. Denn wenn die Gewerkschaften von „guter Arbeit“ reden, dann reden sie eben vor allem über Industriearbeitsplätze mit guten Löhnen und starken Mitbestimmungsstrukturen. Diesen Kern unseres Wohlstandes gilt es zu schützen, zu stärken und auszubauen und ihn nicht mit immer neuen bürokratischen Hürden zu gefährden. Dass hierbei die Mitbestimmungsträger im Betriebsrat, in den Aufsichtsräten und in den Gewerkschaften wichtige Ansprechpartner sind, versteht sich für mich von selbst. Sozialpartnerschaft lebt von der Augenhöhe, und gute Regierungsarbeit lebt davon, dass man sowohl die Arbeitgeber- wie die Arbeitnehmervertreter in seine Überlegungen miteinbezieht. Im Übrigen sind die Ziele von Unternehmensleitungen und Arbeitnehmervertretern in den politischen Fragen oft deckungsgleich, denn jeder hat ein Interesse daran, den lokalen Standort zu sichern und zu stärken. Ich möchte, dass die künftige Landesregierung an der Spitze dieser Bewegung steht und nicht, wie bisher, eher als Hemmschuh auftritt.

Kraft: Um die Mitbestimmungsrechte im digitalen Zeitalter zu schützen und weiterzuentwickeln, ist einiges zu tun. In einigen EU-Ländern sind auch schon kleinere Betriebe von der Unternehmensmitbestimmung erfasst. Bei uns noch nicht. In Schweden können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen mit mindestens 25 Beschäftigten ihre Vertretung an der Unternehmens­spitze wählen – bei uns erst ab 500. Wir möchten mit unserer Mitbestimmungskultur auch in kleinen Betrieben Vorreiter sein.

Die Digitalisierung der Wirtschaft verändert die Arbeitswelt dramatisch. Wie muss sich Mitbestimmung ändern, um auch im digitalen Kapitalismus eine gestaltende Kraft zu sein?

Kraft: Wir müssen im Zuge von „Arbeit 4.0“ auf eine räumliche und zeitliche Entgrenzung von Arbeit reagieren. Denn Arbeit wird heute immer öfter außerhalb der regulären Arbeitszeit und des regulären Arbeitsortes verrichtet. Das hat für die Beschäftigten manche Vorteile, birgt aber auch Gefahren. Unser Ziel ist, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von den Chancen des technologischen Wandels profitieren. Auch deshalb haben wir als erstes Bundesland die „Allianz Wirtschaft und Arbeit 4.0“ ins Leben gerufen. Und in regelmäßigen Betriebsrätekonferenzen diskutieren wir gemeinsam über die Herausforderungen von Wirtschaft 4.0 im betrieblichen Alltag.

Laschet: Zunächst mal halte ich es für wichtig, dass Arbeitnehmervertreter selbstbewusst deutlich machen, dass sie diese Veränderungspro­zesse mitgestalten wollen. Eine reine Abwehrhaltung wird die Veränderungen, die Sie zu Recht dramatisch nennen, nicht aufhalten. Ich wünsche mir, dass wir zu der Frage, ob und wie weit wir Mitbestimmungsrechte verändern müssen, in einen ergebnisoffenen Dialog eintreten. Schon heute haben die Betriebsräte Instrumente, mit denen sie bei technischen Innovationen mit im Boot sitzen. Darüber hinaus ist es mir ein Anliegen, dass wir gemeinsam mit Arbeitgebern und Betriebsräten darüber ins Gespräch kommen, wie wir die an- und ungelernten Kräfte weiterqualifizieren können, damit sie beim stetig steigenden Fachkräftebedarf nicht die Verlierer dieser Entwicklung werden.

„Die Mitbestimmung leistet einen Beitrag zum Erhalt unserer demokratischen Kultur“, heißt es in der erwähnten Entschließung des Bundesrates. Gibt es ein Beispiel, ein Ereignis, das für diese Qualität der Mitbestimmung steht?

Laschet: Erinnern Sie sich an die Wirtschafts- und Finanzkrise nach der Pleite von Lehman Brothers: einbrechende Märkte, Umsatzrückgänge bei deutschen Unternehmen von bis zu 60 Prozent, große Verunsicherung vom kleinen Sparer bis hin zum Investmentfonds. Dass wir heute das erreicht haben, was Angela Merkel damals als Ziel ausgegeben hat, nämlich stärker aus der Krise herauszukommen, als wir hineingekommen sind, hat ganz wesentlich mit der Leistung von Betriebsräten und Gewerkschaften zu tun, die in der Krise mit sehr viel Fingerspitzengefühl flexible Lösungen bei Arbeitszeiten, Tarifen und im Umgang mit Kurzarbeit gefunden haben. Dass Deutschland heute weltweit so hervorragend dasteht, ist dem Zusammenspiel von Politik auf der einen Seite und Sozialpartnern auf der anderen Seite zu verdanken.

Kraft: Wahlen zum Betriebsrat sind exzellent und beispielhaft für gesellschaftliche Teilhabe. Die gesamte Belegschaft in den mitbestimmten Betrieben ist zu den Wahlen aufgerufen – unabhängig von der Nationalität. Der Betriebsrat ist für alle da und darf von allen gewählt werden. Hier wird Partizipation gelebt. Die Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter in mitbestimmten Betrieben gehen bei der Integration von Geflüchteten voran. Sie leisten hier große Beiträge, damit Flüchtlinge die Chance auf Praktikumsplätze oder Arbeit in den Betrieben in unserem Land erhalten.

Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

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