Quelle: HBS
Magazin MitbestimmungVon JEANNETTE GODDAR: Unternehmen müssen Menschenrechte achten
Rezension Seit 2011 gelten die UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten. Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung zieht eine vorsichtig positive erste Bilanz.
Von JEANNETTE GODDAR
Unternehmen müssen Menschenrechte achten – und sie sind gehalten, im eigenen Betrieb und bei allen Zulieferern „nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen, an denen sie beteiligt sind“, zu begegnen. Festgehalten ist das in den 31 UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten, die nach intensiver Vorarbeit des österreichisch-amerikanischen Politikwissenschaftlers John Ruggie entstanden sind. Sechs Jahre lang befasste er sich als UN-Sonderbeauftragter für Unternehmen und Menschenrechte damit, inwieweit nicht nur der Staat, sondern auch Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden könnten.
Aber helfen UN-Standards in der Praxis überhaupt? Umfassende Antworten gibt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Analyse der Unternehmensberatung wmp consult und des Instituts für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. Auf mehr als 200 Seiten unter dem Titel „Menschenrechte im Unternehmen durchsetzen. Internationale Arbeitnehmerrechte: Die UN-Leitprinzipien als Hebel für Betriebsräte und Gewerkschaften“ zeichnen die vier Autoren ein – überwiegend – positives Bild.
Nicht nur, weil mit den Prinzipien erstmals festgeschrieben wurde, dass Unternehmen über ihre gesamten Lieferketten für die Einhaltung von Menschenrechten zu sorgen haben. Die Leitprinzipien haben auch Eingang gefunden in die Lobbyarbeit von Nichtregierungsorganisationen, in globale Rahmenvereinbarungen, wie sie die internationalen Gewerkschaftsdachverbände IndustriALL oder die Bau- und Holzarbeiter Internationale mit Unternehmen abschließen. Auch in zwölf Unternehmensporträts – von adidas über die Deutsche Telekom bis zu Unilever – wird die Bezugnahme auf die Leitlinien immer wieder deutlich.
Zu tun bleibt dennoch vieles.
Die seit 2011 in allen 193 UN-Mitgliedstaaten gültigen Leitprinzipien basieren auf einem Dreiklang: Schutz, Achtung, Abhilfe (Protect, Respect, Remedy). Damit gemeint ist, dass der Staat Menschen vor Eingriffen in Menschenrechte schützen, Unternehmen diese achten müssen und Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Zugang zu Beschwerdeverfahren und Rechtsschutz benötigen.
In Deutschland werden die Prinzipien seit 2016 flankiert von dem „Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)“, an dessen Entwicklung unter Federführung des Auswärtigen Amtes die Gewerkschaften beteiligt waren.
Anders als vom DGB gefordert, macht der NAP die unternehmerische Sorgfaltspflicht zwar nicht gesetzlich verpflichtend; erreicht wurde aber, dass bis 2020 mindestens 50 Prozent der Unternehmen mit über 500 Beschäftigten ihrer Sorgfaltspflicht zur Achtung der Menschenrechte nachkommen müssen. Wird das nicht erreicht, muss die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung einführen. Auch das bezieht sich auf die gesamte Lieferkette.
Nun sind im Zeitalter von Standortkonkurrenz und Sozialdumping Zustände, die mit Menschenrechten wenig zu tun haben, nie weit: Die unhaltbaren Zustände beim Bau des neuen Flughafens in Istanbul, der WM-Stadien in Katar oder in südasiatischen Textilfabriken sind nur besonders prominente Beispiele.
Die Autoren bemängeln, dass Regierungen und Unternehmen zu sehr in „eingefahrenen Bahnen“ blieben; es mangle an „verbindlichen Vorgaben“ und an „transnationaler Rechtsprechung“.
Handlungsbedarf identifizieren sie auch auf betrieblicher Ebene. Dort seien die UN-Leitprinzipien häufig noch zu wenig bekannt. Insbesondere Vertreter internationaler NGOs wünschten sich immer wieder eine „stärkere Verankerung“ der Menschenrechts-Prinzipien in den Betrieben. Ihr Argument: Wenn es um die Kontrolle der Lieferketten und wirksame Beschwerdeverfahren geht, könnten Betriebsräte eine große Rolle spielen.
Foto: Karsten Schöne
Felix Hadwiger, Brigitte Hamm, Katrin Vitols, Peter Wilke: „Menschenrechte im Unternehmen durchsetzen – Internationale Arbeitnehmerrechte: Die UN-Leitprinzipien als Hebel für Betriebsräte und Gewerkschaften“, 240 Seiten, Transcript-Verlag 2017