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Amelie Sutterer-Kipping  Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Über Geld spricht man doch!

Ausgabe 03/2024

Amélie Sutterer-Kipping findet, dass die EU-Entgelttransparenzlinie die Durchsetzung der Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen ein großes Stück vorangebracht hat.

Das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit, kurz das Entgeltgleichheitsgebot, ergibt sich aus der grundrechtlich geschützten Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Niemand darf in Bezug auf das Entgelt wegen seines Geschlechts unmittelbar oder mittelbar benachteiligt werden. Das 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz konkretisiert dieses Gebot und flankiert es mit besonderen Rechten und Pflichten.

Das Gesetz enthält drei zentrale Instrumente: erstens einen individuellen Auskunftsanspruch für Beschäftigte, zweitens die Aufforderung an Arbeitgeber, ihre Entgelt­strukturen zu überprüfen, drittens eine Berichtspflicht zum Stand der Gleichstellung und der Entgeltgleichheit. Trotz der längst bestehenden Pflichten lag der Gender-Pay-Gap in Deutschland 2023 bei rund 18 Prozent. Diese unbereinigte Entgeltlücke berücksichtigt keine Unterschiede etwa in den Erwerbsbiografien. Doch auch bei gleicher formaler Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen beträgt der bereinigte Gender-Pay-Gap noch rund sechs Prozent. Die praktische Bedeutung des Entgelttransparenzgesetzes war bislang außerordentlich gering. 

Das ist auch nicht verwunderlich. So unterliegt der Auskunftsanspruch zahlreichen Einschränkungen: Zum einen greift er erst ab einer Betriebsgröße von mehr als 200 Beschäftigten. Zum anderen besteht er nur, wenn die relevante Vergleichsgruppe mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts umfasst. Bisher haben nur vier Prozent der Befragten in Betrieben und Einrichtungen des öffentlichen Dienstes mit mehr als 200 Beschäftigten den Auskunftsanspruch geltend gemacht.

Ein weiteres wichtiges Instrument sind die betrieblichen Prüfungen: Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten sind aufgefordert, mit betrieblichen Prüfverfahren ihre Entgeltstrukturen auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots des Entgelttransparenzgesetzes zu überprüfen. Das Gesetz ist an dieser Stelle als bloßer Appell formuliert. Sanktionen für den Fall, dass ein Arbeitgeber der Aufforderung nicht nachkommt, enthält die Vorschrift nicht. Daneben gibt es zwar noch Berichtspflichten zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit für Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten, die zur Erstellung eines Lageberichts verpflichtet sind. Nicht geregelt sind jedoch die Konsequenzen, wenn Arbeitgeber ihrer Pflicht nicht nachkommen.

Am 6. Juni 2023 ist die sogenannte Entgelttransparenzrichtlinie der EU in Kraft getreten. Sie ist innerhalb von drei Jahren in deutsches Recht umzusetzen. Die Richtlinie macht einige Änderungen des deutschen Entgelttransparenzgesetzes erforderlich – Änderungen, die die Möglichkeiten zur Durchsetzung von Entgeltgleichheit in Deutschland deutlich erweitern. Der Auskunftsanspruch der Beschäftigten ist nach der Richtlinie nicht mehr auf große Unternehmen begrenzt und von keiner Vergleichsgruppe abhängig. Künftig müssen Arbeitgeber mit mehr als 100 Beschäftigten über geschlechterbezogene Entgeltunterschiede berichten. Ergibt sich daraus ein Gender-Pay-Gap von mehr als fünf Prozent, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen gemeinsam eine Entgeltbewertung durchführen und Abhilfe schaffen. Außerdem sieht die Richtlinie wirksame Sanktionen, insbesondere Bußgelder, für Rechts- und Pflichtverletzungen vor. Auf diese Weise erhöht sie den Druck zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit, die bereits vor mehr als 65 Jahren im EWG-Vertrag versprochen wurde.


AMÉLIE SUTTERER-KIPPING ist Referatsleiterin am Hugo Sinzheimer Institut der Hans-Böckler-Stiftung.

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