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Magazin Mitbestimmung

Von HANS-WOLFGANG PLATZER, Universität Fulda: Tief besorgt

Ausgabe 09/2016

Rezension EU-Bashing hat Hochkonjunktur. Die Analyse des Politikwissenschaftlers Klaus Busch gehört nicht in diese Kategorie – auch wenn man dies nach dem Buchtitel vermuten könnte.

Von HANS-WOLFGANG PLATZER, Universität Fulda

Vielmehr handelt es sich um eine prointegrative EU-Kritik, deren Tenor eine tiefe Sorge um den Bestand des europäischen Einigungswerks ist. Die Abhandlung ist, wie es sich für eine „Flugschrift“ gehört, politisch pointiert. Sie ist – durch Tabellen und Schaubilder unterstützt – empirisch fundiert und in einer gut verständlichen Sprache verfasst.

Ein kurzer Rückblick auf die Integrationsgeschichte mit ihren wiederkehrenden Phasen von Krise, Stagnation und Aufbruch mündet in die eher skeptische Einschätzung, dass der Integrationsprozess in entscheidenden Politikfeldern auf „halbem Wege stecken geblieben“ sei. Dies gilt nach Ansicht des Autors vor allem für die Währungsunion. Deren Strukturmängel und Funktionsdefizite werden ebenso kritisch beleuchtet wie das Krisenmanagement mit seinem Sparregime und die extrem expansive Geldpolitik der EZB, die zwar den Zusammenbruch der Eurozone verhindert habe, aber auch mit Kollateralschäden verbunden sei. Im Umgang mit der Flüchtlingsproblematik, deren Ursachen und bisheriger Verlauf knapp aber präzise beschrieben werden, wird ein „nahezu komplettes Versagen der EU“ diagnostiziert. Analytisch strittig dürfte bleiben, ob für dieses Versagen die EU verantwortlich ist, oder ob es nicht (einzelne) Mitgliedstaaten sind, die sich einer gemeinsamen, solidarischen Politik verweigern.

Eindringlich wird dargestellt, wie das Zusammenspiel aus Krisen, Handlungsdilemmata und Problemlösungsschwächen der EU zu politisch bedrohlichen Entwicklungen führt; und wie sich der Akzeptanzverlust des Europäischen Projekts und das Anwachsen nationalistischer und rechtspopulistischer Kräfte wechselseitig verstärken. Vor diesem Hintergrund werden abschließend drei Szenarien erörtert: Der „Sprung nach vorn“ mit einer weitergehenden Supranationalisierung und Föderalisierung der EU, die Renationalisierung Europas und eine Politik des „Durchwurstelns“. Dieser erfahrungsgesättigte Blick auf mögliche künftige Entwicklungen bietet reichhaltiges Anschauungsmaterial für einen sachlich und historisch informierten Europa-Diskurs, der heute dringlicher denn je ist.

Foto: Buchcover „Das Versagen Europas“, Hintergrund: Europa 1 von TC Photography, Lizenz: CC BY 2.0

WEITERE INFORMATIONEN

Klaus Busch: Das Versagen Europas. Die Euro-und die Flüchtlingskrise sowie die „Brexit“-Diskussion. Eine Flugschrift. Hamburg, VSA Verlag. 2016, 9,80 Euro

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