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Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Strategie für die Krisenländer

Ausgabe 01+02/2013

„Um die Krise im Euroraum nachhaltig zu überwinden, muss der Konsolidierungspfad zeitlich deutlich gestreckt werden“, sagt Katja Rietzler, Referentin für Steuer- und Finanzpolitik des IMK.

Der brachiale Sparkurs in den europäischen Krisenländern ist gescheitert. Statt die Staatsfinanzen zu sanieren, führte der drastische Austeritätskurs die betroffenen Länder noch tiefer in die Krise. Die Wirtschaft stürzte ab, und die Staatsverschuldung stieg im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) weiter an. In der Folge befindet sich der Euroraum aktuell das zweite Jahr in der Rezession. In Griechenland ist die Wirtschaftsleistung seit 2008 sogar um über 20 Prozent eingebrochen.

Ein zentraler Grund dafür liegt in der Unterschätzung der negativen Wirkung der Sparpolitik auf die gesamtwirtschaftliche Aktivität, was Ökonomen als Multiplikator bezeichnen. Dieser wurde von der Troika auf rund 0,5 geschätzt. Demnach hätte eine Ausgabenkürzung um einen Euro das BIP nur um 50 Cent vermindert. Neuere Studien zeigen aber, dass der Multiplikator nicht konstant ist. Insbesondere in Krisen, wenn Kapazitäten deutlich unterausgelastet sind, der Leitzins nahe null liegt, viele Länder gleichzeitig sparen und es den Ländern nicht möglich ist, mithilfe einer Abwertung ihre Exporte anzukurbeln, sind die Multiplikatoren hoch. Dann kann das BIP für jeden Euro, den der Staat einspart, sogar um zwei Euro einbrechen.

Ziel einer Konsolidierung ist es letztendlich, den Schuldenstand relativ zur Wirtschaftsleistung zu senken beziehungsweise zu stabilisieren. Ob es tatsächlich gelingt, mithilfe von Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen Schulden zu tilgen, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Je höher der Multiplikator, je stärker die Staatseinnahmen und -ausgaben auf die Konjunktur reagieren, je höher der Zinssatz, je niedriger die Wachstumsrate und je höher die Schuldenstandsquote zu Beginn, umso eher erhöht ein Sparkurs sogar die Schuldenstandsquote. Genau dies passiert in den Krisenländern, insbesondere in Griechenland. Dort ist der jüngste Anstieg des Schuldenstands vor allem die Folge hoher Zinszahlungen und niedrigen Wachstums – das Defizit trug nach 2010 nur einen geringen Teil bei. Nur mit Wachstum kann dort eine Konsolidierung gelingen.

Die Entscheidung der EZB, prinzipiell unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen, war richtig und hilfreich. So wurde die Unsicherheit im Euroraum erheblich vermindert. Allerdings ist die Interventionsbereitschaft der EZB an einen überzogenen Austeritätskurs gekoppelt.

Um das Vertrauen zu stärken, die Zinslast niedrig zu halten und die EZB zu entlasten, bietet sich ein Schuldentilgungsfonds an: Die Euroländer haften gemeinsam für die Staatsschulden oberhalb von 60 Prozent des jeweiligen BIP, wobei jedes Land seine Schulden über einen langen Zeitraum von über 20 Jahren selbst tilgt. Dies hat auch der Sachverständigenrat vorgeschlagen. Anders als in dessen Konzept sollte dabei allerdings auf einen drastischen Sparkurs verzichtet werden. Um die Krise im Euroraum nachhaltig zu überwinden, muss der Konsolidierungspfad zeitlich deutlich gestreckt werden. Simulationen des Pariser Instituts OFCE haben gezeigt, dass sich der Schuldenstand mit einer weniger ambitionierten Konsolidierung sogar stärker senken lässt als mit der jetzigen Strategie.

Bei der Diskussion über die Krise im Euroraum wird meist von einer „Staatsschuldenkrise“ gesprochen. Dies trifft nicht den Kern der Krise, die in erster Linie aus außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten resultiert. Daher kann sie auch erst überwunden werden, wenn es den Krisenländern gelingt, ihre Leistungsbilanzen auszugleichen und ihre Auslandsverschuldung abzubauen. Dafür müssen sie deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Damit dies gelingen kann, ohne dass der gesamte Euroraum in eine Deflation gerät, müssen die Überschussländer für einige Zeit höhere Inflationsraten in Kauf nehmen. Das ist nur möglich, wenn dort auch die Löhne deutlich steigen. Zudem sollten die Länder, die über fiskalische Spielräume verfügen, diese für expansive Politik nutzen. Deutschland hat trotz Schuldenbremse solche Spielräume: Da die Fiskalmultiplikatoren auf der Ausgabenseite höher sind als auf der Einnahmenseite, kann man mit einer steuerfinanzierten Ausweitung der öffentlichen Investitionen die Wirtschaft ankurbeln. Davon würde nicht nur die seit Jahren vernachlässigte deutsche Infrastruktur profitieren. Die positiven Wachstumseffekte kämen auch anderen europäischen Ländern zugute.

Mehr Informationen

Inmitten der Krise des Euroraums. Herausforderungen für die Wirtschaftspolitik 2013. IMK-Report 79. Düsseldorf, Januar 2013. 

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