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Magazin Mitbestimmung

Stadtwerke: Stadtwerker mit Weitblick

Ausgabe 11/2013

Klaus Schörnich, Vize-Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Düsseldorf AG, ist sauer über die politische Untätigkeit. Und setzt auf Investitionen – in das neue Gaskraftwerk Fortuna. Von Carmen Molitor

Wenn er über die Energiewende spricht, macht Klaus Schörnich eine Sache richtig sauer: dass die Stadtwerke die öffentliche Prügel für die Strompreiserhöhungen durch die EEG-Umlage beziehen. „Wir haben keine Lust mehr, der Buhmann zu sein“, schimpft der Betriebsratsvorsitzende und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke Düsseldorf AG. „Denn wir sind ja nix anderes als ein Inkassobüro für andere. Für das Unternehmen bleibt kein Cent übrig.“ Mit dem nächsten Shitstorm rechnet der 60-Jährige zum Jahresende, wenn den Stromkunden erneut eine Anhebung – um durchschnittlich acht Prozent – ins Haus steht. „Wie viel kann man den normalen Kunden, den Mietern, noch zumuten?“, fragt sich der ver.di-Mann. Und nicht nur das brennt ihm auf den Nägeln. Wie kann es weitergehen mit der EEG-Umlage, mit Netzausbau und Netzentgelten? Welche neuen Tarif- und Bezahlmodelle muss es geben, wenn die Kunden durch eigene Photovoltaikanlagen immer mehr selbst zu Energieerzeugern werden? Zu all diesen Problemen müsse die Politik sehr bald Stellung beziehen, damit es geordnet weitergehen kann auf dem umgepflügten Feld der Energieversorgung. „Wir sind zwar gut aufgestellt, aber auch wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“

Die größte Zukunftshoffnung setze die Stadtwerke Düsseldorf AG mit ihren rund 2200 Beschäftigten auf ihr „Weltmeisterkraftwerk“. So nennen sie stolz die neue Anlage, in die sie bis 2015 rund 500 Millionen Euro investieren wollen und die sie zurzeit von Siemens im Rheinhafen der Landeshauptstadt bauen lassen. 2015 soll das hocheffiziente Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD) Fortuna den bisherigen Block Emil auf dem Kraftwerksgelände Lausward ablösen und die Leistung von 420 auf gut 600 Megawatt erhöhen. Es lasse sich in Minutenfrist hochfahren und werde „mit einem Wirkungsgrad von über 61 Prozent in der reinen Stromerzeugung einen neuen Rekord aufstellen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung der Klimaschutzziele der Landeshauptstadt leisten“, verspricht das Unternehmen, das seit seiner umstrittenen Privatisierung zu 54,95 Prozent dem Energieriesen EnBW, zu 25,05 Prozent der Stadt Düsseldorf und zu 20 Prozent der GEW Köln AG gehört. Ein Kraftwerk, wie geschaffen für die Anforderungen der Energiewende: flexibel, umweltschonend, die perfekte Brückentechnologie. Der Mehrheitsaktionär EnBW war lange skeptisch gegenüber dem Bau gewesen. Denn gute Prognosen hatte der bisherige Effizienzweltrekordhalter, das E.ON-Gaskraftwerk Irsching, auch mal gehabt. Aber die topmoderne Anlage steht vor dem Aus, weil der Gaspreis an der Strombörse nicht konkurrenzfähig ist.

Natürlich gebe es ein Risiko, bestätigt Betriebs- und Aufsichtsrat Schörnich. Aber den Bau des GuD-Kraftwerks am Rhein haben er und seine Kollegen von Anfang an energisch befürwortet und tun es noch: „Der Block wird sich langfristig rechnen“, ist er sicher. Klaus Schörnich setzt auf den günstigen Standort am Rhein, der statt Kühltürmen die wirtschaftlichere Frischwasserkühlung erlaubt. Eine direkte Einspeisung ins Netz der Stadtwerke erspare außerdem die Netzentgelte, und ein „sehr guter Gasliefervertrag, der an die Strom- und CO2-Preise gekoppelt ist, mit dem norwegischen Unternehmen Statoil gibt uns Sicherheit“, sagt er. „Entscheidend ist auch die Möglichkeit, in großem Umfang Fernwärme auszukoppeln und in die nahe Innenstadt zu liefern. Das verschafft uns zusätzlichen Umsatz.“

Wermutstropfen: Das Weltmeisterkraftwerk kostet Arbeitsplätze. Klaus Schörnich geht davon aus, dass 40 Prozent weniger Personal als mit dem Betrieb des alten Blockes Emil benötigt werden. Das Unternehmen werde die Jobs sozialverträglich abbauen, betriebsbedingte Kündigungen sind tarifvertraglich bis Ende 2014 ausgeschlossen. „Die Energiewende hat in der Branche überall eine Verlagerung von Arbeitsplätzen gebracht, nicht nur bei den Stadtwerken Düsseldorf“, gibt der Betriebsrat zu bedenken. „Viele Jobs sind weg – durch technische Erneuerungen, aber auch durch wirtschaftlichen Druck.“ In den vergangenen Jahrzehnten ist die Düsseldorfer Belegschaft – nicht nur wegen der Energiewende – von 4400 Beschäftigten auf die Hälfte geschrumpft. Er sei froh, dass zumindest Outsourcing noch kein Thema sei. „Ich kenne andere Versorger, die arbeiten immer mehr mit Fremdfirmen.“

Der Umbruch des Versorgungsmarktes bedeutete für die Stadtwerker auch einen Umbruch der Unternehmensstruktur: 750 Beschäftigte hat die AG in das Tochterunternehmen Stadtwerke Düsseldorf Netz GmbH ausgegliedert, das sich um Netzmanagement, Netznutzung, Netzanschlussmanagement und technische Netzführung kümmert und vom bisherigen Gesamtbetriebsrat der Stadtwerke mitbestimmt wird. Neun Mitarbeiter beschäftigt daneben die neue Grünwerke GmbH für regenerative Energien, die vor allem Photovoltaik- und Onshore-Windkraftprojekte auf Wirtschaftlichkeit prüft und umsetzt. Weil das alte Geschäftsmodell als reiner Energielieferant bröckelt, entwickelt eine Arbeitsgruppe „Neue Produkte“ alternative Dienstleistungen auf Basis der Tatsache, dass aus ehemaligen Verbrauchern – etwa durch die eigene Photovoltaikanlage – nun Energieerzeuger werden, berichtet Klaus Schörnich. Ständige technische Neuerungen haben für die Beschäftigten schon lange Fortbildungen zum täglich Brot werden lassen. Ja, man wolle die Wende mitgestalten und habe im Unternehmen viel in Bewegung gebracht. Nun sei die Politik am Zug. Dringend.

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