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Birgit Steinborn, Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei Siemens mit Plakat zur Aktionswoche für Respekt, Demokratie und Vielfalt Magazin Mitbestimmung

Betriebsräte-Preis: Siemensianer zeigen Flagge für Vielfalt

Ausgabe 04/2024

Für ihre Aktionen gegen Extremismus, Rassismus und Diskriminierung wurden der Gesamt- und Konzernbetriebsrat von Siemens für den Betriebsräte-Preis 2024 nominiert. Von Stefan Scheytt

Alles begann mit einem Medienbericht, der die Mitglieder des Siemensbetriebsrats erschütterte. Birgit Steinborn, Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei Siemens, erinnert sich an den Tag im Januar, als der geschäftsführende Ausschuss tagte: „Als wir abends die Nachrichten über das berüchtigte Treffen in Potsdam hörten, bei dem Rechtsextreme über einen ‚Masterplan zur Remigration‘ von Millionen Menschen aus Deutschland fabulierten, waren wir entsetzt und erschrocken.“ Am nächsten Morgen stand für die Arbeitnehmervertretung fest: „Wir müssen etwas tun.“ Aus dem spontanen Impuls folgte ein Aktionsplan, für den der Gesamt- und Konzernbetriebsrat von Siemens für den Betriebsräte-Preis 2024 nominiert wurden, der beim Deutschen Betriebsrätetag im November in Bonn verliehen wird.

„Demokratie schützen, Grundwerte stärken“ betitelten die Siemensianer ihren Aktionsplan, mit dem sie für eine offene und demokratische Gesellschaft eintreten. „In den Betrieben machen wir die Demokratie, das Grundgesetz und unsere Werte als Staatsbürger und Beschäftigte zum Thema und zeigen, dass sie die Voraussetzung auch für freie Gewerkschaften und Mitbestimmung sind“, sagt Birgit Steinborn. „Und wir machen deutlich, dass Rechtsextremismus inakzeptabel ist. Darüber hinaus schadet er der Wirtschaft und gefährdet Arbeitsplätze – nicht zuletzt bei einem international agierenden Unternehmen wie Siemens“.

Mehrere Tausend Beschäftigte an 65 Siemens-Standorten in ganz Deutschland griffen die Idee auf und konzipierten Aktionen für Demokratie und Offenheit. Bei Siemens in Regensburg zum Beispiel pflanzten Betriebsräte, Beschäftigte und Firmenleitung einen Apfelbaum als Symbol für die Werte des Grundgesetzes und des Unternehmens. In einem internen Video sprachen Beschäftigte über ihren Lieblingsartikel in der Verfassung. In Hamburg veranstalteten Betriebsräte und Beschäftigte eine Rallye mit Fragen zum Grundgesetz, in Leipzig fertigten sie Plakate, die an prominenten Stellen am ganzen Standort hingen. Am Berliner Siemens-Standort Nonnendammallee verteilten der Betriebsratsvorsitzende Metin Bukan und sein Stellvertreter Christian Scholz am 23. Mai, dem 75. Geburtstag der Verfassung, mehrere Hundert Exemplare des Grundgesetzes. Das Porto für die von der Bundeszentrale für politische Bildung gesponserten Büchlein hatten die beiden aus der eigenen Tasche bezahlt. „Insgesamt konnten wir mehr als 700 von 1300 Kolleginnen und Kollegen am Standort ansprechen und für das Thema sensibilisieren“, berichtet Metin Bukan. 480 Beschäftigte nahmen am begleitenden Grundgesetz-Quiz teil. Manchmal habe es regelrechte Gänsehautmomente gegeben, wenn über Chancengleichheit, Vielfalt, Respekt, Freiheit und andere Werte gesprochen wurde und darüber, wie schützenswert – und nicht selbstverständlich – das demokratische Miteinander sei.

Sehr viele Kolleginnen und Kollegen haben Gesicht gezeigt – und zwar nicht gegen etwas, sondern für etwas, nämlich für gemeinsame Werte.“

SASKIA KRAUSSER, Betriebsratsvorsitzende im Siemensbetrieb „Erlangen G“

  • Bei Siemens in Regensburg pflanzten Betriebsräte, Beschäftigte und Firmenleitung einen Apfelbaum als Symbol für die Werte des Grundgesetzes und des Unternehmens auf dem Werksgelände.
    Spatenstich für einen Apfelbaum – als Symbol für die Werte des Grundgesetzes und des Unternehmens - bei Siemens in Regensburg.

Auch am größten Siemens-Standort in Erlangen beteiligten sich mehrere Hundert Beschäftigte an einem Online-Quiz, andere pinnten Zettel mit ihren Gedanken und Wünschen an eine riesige „Demokratiewand“, die die Betriebsräte vor der Kantine aufgestellt hatten. Wieder andere trugen ein paar Tage lang T-Shirts, deren Aufdruck den Anstoß für viele Gespräche gab: „Siemens ist bunt“ stand auf dem Rücken und vorne: „Menschlichkeit ist unverhandelbar, Solidarität ist unverhandelbar, Vielfalt ist unverhandelbar.“

Saskia Kraußer, Betriebsratsvorsitzende im Betrieb „Erlangen G“ und eine der treibenden Kräfte der Aktionen, ist begeistert von der Resonanz in der Belegschaft: „Sehr viele Kolleginnen und Kollegen haben Gesicht gezeigt – und zwar nicht gegen etwas, sondern für etwas, nämlich für gemeinsame Werte.“ Saskia Kraußer und Birgit Steinborn betonen, wie wichtig es sei, dass die Arbeitgeberseite die Aktionen der Betriebsräte inhaltlich unterstützt und oft auch selber Gesicht zeigte und immer noch zeigt durch Statements bei Betriebsversammlungen und anderen Gelegenheiten. „Gleich nach dem Treffen in Potsdam haben wir in einer Aufsichtsratssitzung beim Vorstand offene Türen für unsere Pläne eingerannt“, berichtet Aufsichtsrätin Steinborn und begrüßt die deutlichen Worte, mit denen Vorstandschef Roland Busch das Unternehmen auch öffentlich gegen Extremismus, Rassismus und Diskriminierung positionierte. „Das gibt denjenigen Beschäftigten, die sich engagieren, Sicherheit und macht ihnen Mut, auf diesem Weg weiterzugehen und noch mehr Kolleginnen und Kollegen für die Sache zu gewinnen.“

Gelegenheiten fürs Mitmachen wird es noch viele geben: „Demokratie schützen, Grundwerte stärken“ ist als langfristiges Projekt bis zu den Betriebsratswahlen 2026 angelegt.

Mehr zum Betriebsräte-Preis 2024:

Der Deutsche Betriebsräte-Preis wird im Rahmen des Deutschen Betriebsrätetags am 7. November in Bonn verliehen. Aus 60 Bewerbungen wurden zwölf Projekte nominiert, darunter das Projekt "Demokratie schützen, Grundwerte stärken" des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Siemens-AG. 

Mehr über die nominierten Betriebsräte in Kürze auf der Seite des I.M.U. zum Betriebsräte-Preis 2024

Das Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung bietet ein Archiv mit zahlreichen Betriebsvereinbarungen.

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