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Felicitas Kopf, Vorsitzende des Konzernbetriebsrats Magazin Mitbestimmung

Betriebsrätepreis: Sie ließen sich nicht einschüchtern

Ausgabe 02/2023

Der Konzernbetriebsrat der Schön Klinik SE traf nach seiner Gründung auf heftigen Gegenwind. Doch die Arbeitnehmervertretung hielt durch. Heute wird mit dem Arbeitgeber konstruktiv verhandelt. Von Joachim F. Tornau

Felicitas Kopf ahnte, was auf sie zukam. „Unser Anwalt hat genau vorhergesagt, was der Arbeitgeber tun würde“, sagt die Vorsitzende des Konzernbetriebsrats der Schön Klinik SE. Unberechtigte Abmahnungen,
verweigerte Kommunikation, kleine und größere Schikanen. Doch die 57-Jährige und ihre Mitstreitenden ließen sich nicht beirren. Sie riefen bei dem Krankenhauskonzern, der an 24 Standorten in Deutschland mehr als 10 000 Menschen beschäftigt, nicht nur einen Konzernbetriebsrat (KBR) ins Leben; sie sorgten auch dafür, dass das neue Gremium von der Unternehmensführung ernst genommen wird. Ihre Hartnäckigkeit brachte ihnen beim Deutschen Betriebsräte-Preis 2022, der im Rahmen des Deutschen BetriebsräteTags in Bonn verliehen wurde, die Auszeichnung in Silber ein. 

Es begann im Sommer vor zwei Jahren mit einer Mitteilung der Geschäftsführung an die Betriebsräte aller Krankenhäuser: Sämtliche Beschäftigten, die nicht im medizinischen Bereich tätig sind, sollten künftig bei der Klinik-Holding angestellt sein. Allein in Neustadt an der holsteinischen Ostseeküste, wo Felicitas Kopf als stellvertretende Betriebsratsvorsitzende amtiert, betraf das 200 Beschäftigte aus Verwaltung, Küche oder Haustechnik, bundesweit waren es 1800.

Die an allen Standorten geführten Verhandlungen um Sozialplan und Interessenausgleich landeten schnell vor der Einigungsstelle und endeten, ohne dass das Unternehmen irgendwelche Zugeständnisse machen musste. Eine Niederlage für die Betriebsräte. Doch zugleich der Anfang einer neuen Zusammenarbeit. Jeden Montagmorgen tauschten sich die Gremien, die sich, manche eher arbeitgebernah, andere sehr streitbar, bis  dahin nicht allzu verbunden gewesen waren, bei Videokonferenzen aus.

Das sollte sich bezahlt machen: Binnen kürzester Zeit konnte mit der Gründung eines Gesamtbetriebsrats für die Holding-Beschäftigten reagiert werden, als die Geschäftsführung noch während des Einigungsstellenverfahrens die Einführung einer neuen Software verkündete. „Eine riesig große Datenkrake“, sagt Kopf. Zur Gesamtbetriebsvereinbarung, die die Betriebsräte deshalb forderten, aber kam es nicht. Der Arbeitgeber legte erst einen Entwurf vor und machte dann einen Rückzieher. „Es hieß: Für so etwas wäre ein Konzernbetriebsrat zuständig“, berichtet die Neustädter Betriebsrätin. „Und weil es den nicht gebe, könnten sie machen, was sie wollen.“

Auch diesmal folgte die Antwort der Arbeitnehmervertretungen postwendend: Gerade einmal sechs Wochen benötigten sie, um den Konzernbetriebsrat aus der Taufe zu heben. Felicitas Kopf wurde zur Vorsitzenden gewählt. „Ich glaube nicht“, sagt die Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin, „dass sie beim Arbeitgeber damit gerechnet haben, dass wir so schnell neue Strukturen schaffen.

Was folgte, war dann genau das, was ihr Anwalt angekündigt hatte: Störmanöver und  Einschüchterungsversuche. „Der Ton wurde rauer“, sagt Kopf und zählt Beispiel um Beispiel auf: Zu Terminen in München, wo die Schön Klinik SE ihre Zentrale hat, habe sie sieben Stunden lang mit der Bahn anreisen sollen, weil der Konzern Flugtickets nicht bezahlen wollte. Für eine KBR-Sitzung habe das Unternehmen erst Räume in einer Hamburger Klinik zur Verfügung gestellt, das Treffen dann aber unter Verweis auf die Coronaregeln kurzfristig nicht mehr zulassen wollen – obwohl die Vorschriften zur Pandemieeindämmung für derartige Versammlungen gar nicht galten. IT-Sachverständige seien dem Gremium verweigert worden, die eigentlich vereinbarten Jours fixes zum Informationsaustausch habe die Geschäftsleitung regelmäßig platzen lassen.

„Sie haben uns die Arbeit schwergemacht“, bilanziert Kopf. „Immer wieder mussten wir unsere Rechte mühsam einklagen.“ Selbst vor Abmahnungen schreckte die Unternehmensführung nicht zurück. Kopf selbst wurde wegen einer Meinungsäußerung in einer Rundmail abgemahnt, ihr Vertreter, weil er Reisekosten abgerechnet hatte für einen der vielen Rechtsstreits mit dem Arbeitgeber. Beide Abmahnungen erwiesen sich vor dem Arbeitsgericht als haltlos.

Versöhnliche Töne

Mittlerweile gibt sich das Unternehmen versöhnlich. Man begrüße die Gründung des Konzernbetriebsrats, heißt es. „Wir haben in den ersten Monaten verschiedene Themen vor Gericht klären müssen“, räumt man ein. Doch von einem Schwermachen der Arbeit will man nichts wissen. Nach einem klärenden Gespräch laufe nun die Zusammenarbeit deutlich besser. Letzteres sieht auch Felicitas Kopf so. Man habe gelernt, miteinander zu arbeiten und zu vernünftigen Kompromissen zu finden. „Ich glaube nicht, dass sie mit so viel Widerstand gerechnet haben“, sagt das Verdi-Mitglied. „Auch weil wir alle aus der Pflege kommen – und weil ich eine Frau bin.“ Seither werde hart, aber konstruktiv und mit guten Ergebnissen verhandelt. Und auch der Umgangston habe sich verändert: „Plötzlich gibt es ein Bitte und ein Danke und nicht nur Drei-Wort-Sätze.“

Ganz ohne Scharmützel aber scheint es immer noch nicht zu gehen: Das Gespräch mit dem Autor musste in einem Café stattfinden. Ein Treffen auf dem Klinikgelände in Neustadt hatte sich die Geschäftsführung   verbeten.

Weitere Informationen:

Auf unserer Übersichtseite Deutscher Betriebsrätetag

Der Deutsche Betriebsräte-Preis ist eine Initiative der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“ des Bund-Verlags. Die Hans-Böckler-Stiftung ist Kooperationspartnerin. Mit dem Preis werden seit 2009 alljährlich Praxis-Beispiele vorbildlicher Betriebsratsarbeit ausgezeichnet. In diesem Jahr wird der Preis am 10. November auf dem Deutschen Betriebsräte-Tag in Bonn verliehen. Von mehr als 60 Bewerbungen wurden 12 Projekte nominiert. 

www.deutscher-betriebsraete-preis.de

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