Quelle: HBS
Magazin MitbestimmungRecht: Schielen nach dem angelsächsischen Modell
Der 69. Deutsche Juristentag hat die Frage der Vorstandsvergütung kontrovers diskutiert. Eine Geschlechterquote im Aufsichtsrat lehnt eine große Mehrheit ab. Überraschend ist die Empfehlung für eine Wahloption auf das monistische System.
Mitte September kamen in München rund 3500 Fachleute beim 69. Deutschen Juristentag zusammen. Zwei Tage lang diskutierten Professoren, Anwälte, Richter, Unternehmensjuristen und Interessierte über die Entwicklungen des deutschen und europäischen Rechts und beschlossen Empfehlungen an den deutschen und europäischen Gesetzgeber. „Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung“ lautete das Thema der wirtschaftsrechtlichen Abteilung. Eine wichtige Rolle spielten dabei Fragen guter Unternehmensführung und des Corporate Governance Kodex (DCGK).
Zu diesem Thema hatte im Vorfeld der Münchener Jura-Professor Mathias Habersack ein Gutachten erstellt. Auch wenn es eine Grundlage für anregende Diskussionen bildete, fiel auf, dass der Autor sich ohne Not an mehreren Stellen kritisch gegenüber der Unternehmensmitbestimmung positionierte. Die anschließende Diskussion zeigte jedoch, dass die Unternehmensmitbestimmung weitgehend von den im Gesellschaftsrecht tätigen Juristen akzeptiert wird und kaum thematisiert wurde. In ihrem Kern stand sie nicht zur Disposition.
Zunächst befassten sich die Juristen mit Grundsatzfragen. Hier herrschte Übereinstimmung, dass gute Unternehmensführung ein Faktor im internationalen Wettbewerb sei. Sie könne daher zu Recht Gegenstand nationaler und europäischer Regelungen sein, seien sie staatlicher oder halbstaatlicher Natur, wie der DCGK. Dieser Kodex, so die einhellige Meinung, habe sich bewährt und diene der Fortentwicklung von „Best Practice“. Eine solche Einigkeit bestand indes nicht mehr, als es um die Frage ging, ob neben börsennotierten auch andere Gesellschaften unter den DCGK fallen sollen.
Hinsichtlich der Zusammensetzung der Kodexkommission empfahlen die Juristen dem Gesetzgeber, dass die Mitglieder auf einer gesetzlichen Grundlage vom Bundesjustizminister nach einem geregelten Verfahren auf Zeit bestellt werden sollten. Ein europäischer Corporate Governance Kodex wurde mehrheitlich abgelehnt.
DIE STREITFRAGEN
Kontrovers war die Frage der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern. Es zeigte sich, dass unter den Juristen keine Einigkeit besteht, was darunter zu verstehen sei. Dies verwundert, ist die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder doch, anders als im angelsächsischen System, grundsätzlich bereits durch die Trennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sichergestellt. Trotzdem nahm, wie unlängst erst in der Regierungskommission DCGK, diese Diskussion einen breiten Raum ein. Einigkeit bestand aber darüber, dass der jeweilige Aufsichtsrat zu beurteilen habe, wer aus seinen Reihen als unabhängig anzusehen sei. Aus Sicht der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, die demokratisch durch die Belegschaft gewählt werden und daher über ein großes Maß an Unabhängigkeit vom Vorstand und den Aktionären verfügen, ist dies eine akzeptable Position.
Auf der Tagesordnung standen zudem die Managervergütungen. Die Gesetzgebung hat erreicht, dass die Vergütungsstruktur in börsennotierten Unternehmen auf langfristigere Boni umgestellt wurde. Doch wurde der Trend zu immer höheren Vergütungen und Pensionen bei den Top-Vorständen dadurch nicht gestoppt. Entsprechend ausführlich wurde das Thema behandelt. Die Vorschläge reichten von „Alles soll bleiben, wie es ist“ über die Idee, der DCGK solle um Regeln ergänzt werden, die die Höhe der Vergütung unternehmensspezifisch oder anhand einer Relation zu den Gehältern der Arbeitnehmer empfehle, bis zur Anregung, dass die Hauptversammlung eine Obergrenze der Vergütung für die Vorstände festsetzt. Marie Seyboth, Abteilungsleiterin Mitbestimmungspolitik und Justiziarin beim DGB, nutzte die Chance, die Position des DGB einzubringen. Insbesondere forderte sie eine Begrenzung der Höhe. In der Beschlussfassung fanden diese Vorschläge jedoch keinen Widerhall. Vielmehr lehnte die Mehrheit der Wirtschaftsrechtler jedwede Veränderung ab. Man muss sich fragen, ob die Juristen in diesem Punkt die Zeichen der Zeit wirklich wahrgenommen haben.
Der aktuellen Debatte folgend, war auch die Geschlechterquote, von den Juristen der Abteilung Wirtschaftsrecht lediglich als „Frauenquote“ bezeichnet, ein Thema. So wurde vor allem die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote für die Vorstände und Aufsichtsräte der börsennotierten Unternehmen diskutiert. Erwartungsgemäß lehnte die überwiegende Anzahl der Juristen die Frauenquote ab. Als Argument führten sie an, dass eine solche Quote ein „Fremdkörper“ im Aktienrecht sei und dass gesellschaftspolitische Anliegen nicht im Gesellschaftsrecht geregelt werden sollten. Trotz dieser Ablehnung bewirkte die Debatte aber, dass die Abteilung die Bemühungen des Corporate Governance Kodex um eine verstärkte Beteiligung von Frauen in Führungsgremien begrüßte. Auch empfahlen die Wirtschaftsrechtler, die in anderen europäischen Ländern bereits bestehenden Quotenregelungen näher zu untersuchen.
OPTION AUFS MONISTISCHE SYSTEM
Stark verwundert der Beschluss des Juristentages, dass der Gesetzgeber, angelehnt an die Rechtslage bei der Europäischen Aktiengesellschaft, allen Aktiengesellschaften ermöglichen soll, zwischen dem dualistischen und dem monistischen, in Großbritannien und den USA üblichen System zu wählen. Die wirtschaftsrechtliche Abteilung stellte sich damit klar gegen ihren eigenen, auf dem 67. Juristentag 2008 in Erfurt gefassten Beschluss, in dem sie ein solches Wahlrecht ausdrücklich ablehnte. Die Kehrtwende verwundert umso mehr, da keine neuen Erkenntnisse vorliegen, die einen solchen Sinneswandel rechtfertigen. Entsprechend sprach sich Roland Köstler, Unternehmensrechtler in der Hans-Böckler-Stiftung, gegen diesen Beschluss aus. Er argumentierte, das dualistische System mit der Trennung von Aufsichtsrat und Vorstand habe sich bewährt. Auch stellte er klar, dass die aktuellen Zahlen für die Europäische Aktiengesellschaft (SE) belegen, dass in der Praxis kein grundlegender Bedarf für ein solches Wahlrecht besteht: Von 106 „normalen“ SE in Deutschland – diese Bezeichnung dient zur Abgrenzung von den nur auf dem Papier existierenden oder Mini-SEs – haben nur 31 eine monistische Struktur. Unter ihnen ist die Puma SE die einzige mit Arbeitnehmerbeteiligung im Verwaltungsrat.
Der Deutsche Juristentag hat gezeigt, dass Corporate Governance ein internationales Thema ist. Ungewiss ist, ob die Adressaten der Empfehlungen diese auch umsetzen. In den letzten Jahren sind die Juristen oft nicht bis zu den Gesetzgebern vorgedrungen.
Text: Lasse Pütz, Unternehmensrechtler und Leiter eines Referats Wirtschaftsrecht in der Hans-Böckler-Stiftung
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Die Beschlüsse des 69. Deutschen Juristentags als PDF zum Download.