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Magazin Mitbestimmung

Spanien: „Rajoy geht es um Ideologie“

Ausgabe 09/2012

Paloma López, 50, zuständig für Beschäftigungspolitik im Hauptvorstand der spanischen Gewerkschaft Comisiones Obreras (CCOO), sagt, Spanien braucht ein neues Produktionsmodell.

 „Das Problem in Spanien ist das fehlende Wachstum und die mangelnde wirtschaftliche Aktivität. Wir können so viele Arbeitsmarktgesetze ändern, wie wir wollen, das wird nichts bringen, solange die Wirtschaft nicht angekurbelt wird. Die Regierung macht das genaue Gegenteil mit ihrer einseitigen Politik der Haushaltskonsolidierung, die vor allem Arbeiter und Arbeiterinnen und die Mittelschicht trifft. Es werden Sozialausgaben gekürzt, Rechte zusammengestrichen, Steuern zulasten der niedrigen und mittleren Einkommen erhöht. Gleichzeitig haben die Finanzmarktreformen keinerlei Wirkung. Es ist heute unmöglich, einen Kredit zu bekommen. Das alles wird uns 2012 weitere 35.000 Arbeitsplätze kosten.

Als Spaniens Wirtschaft bis 2007 kontinuierlich um mehr als drei Prozent im Jahr wuchs und Millionen Arbeitsplätze entstanden, war das alte Arbeitsmarktgesetz in Kraft. Unter der gleichen Rechtslage liegt heute die Arbeitslosigkeit im nordspanischen Baskenland bei 14 Prozent, während es im Landesschnitt 25 und in einigen Regionen sogar über 30 Prozent sind. Es kann also nicht am Arbeitsmarktgesetz liegen.

Die Produktivität in Spanien ist aufgrund des Wirtschaftsmodells niedriger als in anderen europäischen Ländern. Nach der Zerstörung von Millionen Arbeitsplätzen ist jetzt die Arbeitsproduktivität gestiegen, weil die produktiven Bereiche überlebt haben und die wenig produktiven, allen voran die Bauwirtschaft, nicht. Dass das als Erfolg gefeiert wird, ist doch absurd.

Das ganze Wachstum hing an der Bauwirtschaft, alle waren nur auf den Bauboom fixiert und übersahen die strukturellen Probleme. Das ist nicht neu: Spanien hat immer wieder Zyklen außerordentlichen Wachstums, die stets mit Bauspekulation einhergehen und immer in einer Krise enden. Aber dieses Mal hat es uns durch die internationale Finanzkrise besonders hart getroffen. Hinzu kommt eine Währung, die Spanien nicht selbst kontrolliert. In der Vergangenheit wurde in Krisenzeiten einfach die Peseta abgewertet.

Wir brauchen ein neues Produktivitätsmodell. Wären die vielen Finanzmittel in Bildung, Forschung und in Bereiche investiert worden, in denen wir mit führend sind, wie die erneuerbaren Energien, Biotechnologie oder Lebensmittelverarbeitung, hätten wir heute weniger Probleme. So oder so, Rajoy macht seine Politik. Ihm geht es um Ideologie. Die Regierung will einen schwachen Staat, in dem alles privatisiert ist und der nur ganz wenig regulierend eingreift. Dabei bräuchten wir eine radikal andere Finanz- und Steuerpolitik. Alle Regierungen, ob links oder rechts, haben die Steuern gesenkt. Doch Steuern sind notwendig, um den Staat aufrechtzuerhalten. Einen sozialen Staat.“

Textdokumentation: Reiner Wandler / Foto: Reiner Wandler

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