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Die Klimalösung Buch Magazin Mitbestimmung

Gelesen: Radikal einfach

Ausgabe 05/2022

Das zweite Klima-Buch der Bestsellerautoren David Nelles und Christian Serrer reduziert ein Menschheitsproblem auf einfache Botschaften. Doch das schnelle Lesen hat seinen Preis. Von Kay Meiners

Das sieht ja aus wie ein Kinderbuch! Soweit der erste Eindruck. Und das Buch ist so klein, dass es in jede Handtasche passt. „Machste dreckig – machste sauber“ steht schnodderig auf dem Einband,. Dazu gibt es Zeichnungen – eine Erdkugel, auf der ein Strichmännchen ein Kohlekraftwerk zusammenkehrt, ein Wasserstoffmolekül, einen Reichstag, einen ICE, und eine Wurst. Versprochen wird schnelles Wissen, das keinen überfordert.

Das Kalkül radikaler Einfachheit ging schon einmal auf: Die Autoren David Nelles und Christian Serrer landeten 2018 mit ihrem Erstlingswerk, dem Klimawandel-Buch „Kleine Gase – Große Wirkung“ einen Verkaufserfolg. Jetzt soll der Erfolg wiederholt werden – mit einer optimistischen Botschaft: „Klimaschutz wird nicht an technischen Hürden scheitern – die einzige wirkliche Gefahr ist der Mangel an Motivation und Wille anzupacken sowie notwendige Veränderungen zu beschließen und umzusetzen!“

Um diese Botschaft zu vermitteln, nutzen die Autoren Methoden, die alle verwenden, wenn sie Reichweite erzielen wollen: kurze Texte, einfache Botschaften, Infografiken und Illustrationen. Politisch sind sie um Sachlichkeit bemüht, auch bei Reizthemen wie Atomkraft. Jeweils gebündelt auf zwei Seiten, erfährt man das Wichtigste über die Energieträger, mögliche Klimamaßnahmen bei Gebäuden, im Verkehr, in der Landwirtschaft, in der Industrie, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Quellen sind bei Bedarf alle nachschlagbar im Netz. Diese Kompaktheit ist verführerisch und sicher gut verkäuflich, aber wie weit kommt man damit?

Ein Blick auf die Seiten 111 bis 114, die die Stichwörter „Arbeitsplätze“ und “Strukturwandel” bearbeiten, zeigt das Strickmuster. Die Autoren schreiben, bei Einhaltung des Zwei-Grad-Zieles könnten weltweit im Energiesektor bis 2050 zehn Millionen Jobs wegfallen, aber 18 Millionen neu entstehen. Bilanz positiv. Doch eine so langfristige Schätzung ist höchst unsicher,beschränkt sich auf einen Sektor und sagt über die Arbeitsmarktbilanz der Klimapolitik in Deutschland nichts.

Auch die Ausführungen zum Strukturwandel leisten am Ende kaum mehr als eine schwammige Definition des Begriffes. Im Wesentlichen steht da, Industrien müssten umstrukturiert oder sogar abgebaut, andere ganz neu aufgebaut werden, was zur „Verschiebung von Arbeitsplätzen“ führe. Dafür müssten „Unternehmen, Gewerkschaften und die Politik“ gemeinsam Angebote entwickeln. Es könnten aber „nie alle Bedürfnisse vollständig berücksichtigt werden“. Das ist nicht falsch, aber es ist oberflächlich. Über die komplexen Aushandlungsprozesse in einer Demokratie oder in industriellen Beziehungen erfährt man kaum etwas.

Wenn das das Klima-Buch ein Anstoß für junge Erwachsene wäre, sich mit den Stellschrauben der Klimapolitik zu beschäftigen, hat es seinen Zweck erfüllt. Aber es droht auch eine Gefahr: die Illusion der erklärenden Tiefe. Man glaubt, zu verstehen, hat aber wenig verstanden. Mit Nelles und Serrer tut Klimaschutz nicht weh: Ihr Buch schließt mit sieben Dingen, die jeder tun kann, um Teil der „Klimalösung“ zu werden. Das passt zum Zeitgeist. Aber, am Ende der Lektüre angekommen, ahnt man: Der Weg aus der Klimakrise könnte viel steiniger werden, als er hier beschrieben wird.

David Nelles/Christian Serrer: Machste dreckig – machste sauber. Die Klimalösung. Friedrichshafen, KlimaWandel GbR 2021. 124 Seiten, 10 Euro

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