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Magazin Mitbestimmung

Von MARTIN KALUZA: Punkrock für Bergleute

Ausgabe 07/2016

Das politische Lied Großbritannien ist tief gespalten. Es ist das Jahr 1984. Margaret Thatcher will landesweit Zechen stilllegen und die Wirtschaft des Königreichs umbauen.

Von MARTIN KALUZA

Sie hat den Gewerkschaften den Kampf angesagt. Thatcher ist auf eine lange Auseinandersetzung gefasst: Eine Kommission der konservativen Partei hatte schon seit Jahren empfohlen, für den Streikfall Kohlevorräte anzulegen und die Umstellung auf Ölbefeuerung zu fördern. Der Arbeitskampf wird fast ein Jahr dauern. Billy Bragg, ein wütender junger Mann aus einem Vorort von London, fährt mit seiner E-Gitarre nach Nordengland, um mit lauter Stimme und dem Feuer des Punkrock die Streikenden zu unterstützen.

„Ich hatte immer Musik gehört, in der es um politischen Wandel ging. Hier gab es die Möglichkeit, herauszufinden, ob meine Musik in einem wirklichen politischen Kampf irgendeine Bedeutung haben könnte“, erinnert sich Bragg. „Ich wollte wissen, ob Pop und Politik zusammenpassen.“ In der Zeit der Streiks veröffentlicht er zwei Alben, die inzwischen gemeinsam unter dem Titel „Back to Basics“ zum Klassiker geworden sind.

Die Hälfte der Songs transportiert leidenschaftliche politische Botschaften, die andere Hälfte sind fein beobachtete Beschreibungen zwischenmenschlicher Beziehungen und Schicksale. Mit „A New England“ hatte Bragg einen kleinen Hit. Auf seinem dritten Album, „Talking With the Taxman About Poetry“, singt Bragg eine flammende Hymne auf die Gewerkschaften.

Er beschwört die Macht, die Arbeiter ausüben können, wenn sie sich gegen die „Bosse“ organisieren:

Der Song ist Braggs Bearbeitung des patriotischen „Battle Cry of Freedom“, das während des amerikanischen Bürgerkriegs von den Soldaten der Nordstaaten gesungen wurde. Bragg übernahm die Melodie und verpasste ihr einen auf den Arbeitskampf gemünzten, neuen Text. So steht das Wort „Union“ nicht mehr, wie im Original, für die Konföderation, die die Sklaverei abschaffen will, sondern für die Gewerkschaft.

Als der Song erscheint, ist der große Arbeitskampf bereits verloren. Thatcher hat sich durchgesetzt, die britischen Gewerkschaften haben sich von dieser Niederlage nie erholt. Braggs Entschlossenheit tut das keinen Abbruch. Gewerkschaften sind Bragg zunehmend wichtiger als Parteien. In den ersten Jahren seiner Karriere unterstützt er noch die Labour Party, in einem seiner Songbücher findet sich sogar ein Beitrittsformular. Doch spätestens als Premierminister Tony Blair in den 90ern Labour eine wirtschaftsliberale Politik verpasst, sind die Zeiten vorbei. Bragg ist meist ohne Band unterwegs. Er singt einfach zu seiner E-Gitarre, die er so rotzig spielt wie eh. Seine Ansagen sind oft länger als die Songs, eine unterhaltsame Mischung aus Anekdoten und politischer Agitation. „There is Power in a Union“ spielt der 58-Jährige bis heute bei jedem Konzert:

Foto: Paul Slattery. Ursprungsort: Website von Billy Bragg

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