Quelle: Bauhaus-Archiv
Magazin MitbestimmungRätselhaftes Fundstück: Prototyp für den sozialen Wohnungsbau
Modern und vor allem preiswert sollen die Häuser sein, so die Vorgabe der Stadt Dessau an Walter Gropius. Der Bauhaus-Gründer macht sich ans Werk und erschafft 1926 mit der Siedlung Törten einen Prototyp für den sozialen Wohnungsbau. Von Guntram Doelfs
Fünf Kinder, eine Katze und ein Hund – es ist ein unscharfer Schnappschuss aus der Neubausiedlung Dessau-Törten, wo in den 1920er Jahren neue Sozialwohnungen gebaut werden. Der Ort ist ein Versuchslabor für das industrielle Bauen, in dem völlig neue, kostensparende Methoden erprobt werden. Preiswerte Verfahren sind gefragt, denn die Weimarer Republik kämpft mit einer Wohnungsnot.
Schockierend schlicht wirken die 314 Einfamilienhäuser, die hier gebaut werden. Schmucklos, mit Flachdach, an den Fassaden weißer Putz, die Vorsprünge aus grauem Sichtbeton. Horizontale und vertikale Bänder mit schwarzen Stahlfenstern und -türen gliedern die Fassaden. Das markante „Konsumgebäude“ rechts im Bild ist als Zentrum der Siedlung konzipiert.
Entworfen wird die Siedlung von Walter Gropius, dem Direktor des Bauhauses, das zur einflussreichsten Architekturschule der deutschen Moderne werden wird. Dessau-Törten macht er zum Modellprojekt für das industrielle Bauen. Schon 1924 formuliert er sein Credo: „Das neue Ziel“, schreibt er, „wäre die fabrikmäßige Herstellung von Wohnhäusern im Großbetrieb auf Vorrat, die nicht mehr an der Baustelle, sondern in Spezialfabriken in montagefähigen Einzelteilen erzeugt werden.“
In Törten werden die Bauteile teilweise sogar vor Ort hergestellt, überwiegend aus Beton und Schlackensteinen. Rund 10.000 Reichsmark kostet ein Haus mit einer Wohnfläche zwischen 57 und 75 Quadratmetern. Nach einer Anzahlung werden monatlich nur 27 bis 44 Reichsmark zur Tilgung fällig. Damit sind die Häuser, wie von der Stadt Dessau gefordert, für Kleinverdiener bezahlbar. Ein Bauhilfsarbeiter verdient damals durchschnittlich 35 Reichsmark in der Woche.
Die Rationalisierung hat allerdings auch ihre Schattenseiten. In manchen Wohnungen liegen die Fensterbänder so hoch, dass man nicht mehr aus dem Fenster schauen kann. Die schlechte Wärmedämmung durch Stahlfenster und dünne Fassaden treibt die Heizkosten in die Höhe. Dennoch bilden die kubischen Gebäude einen markanten Kontrast zu den üblichen Gartenstädten mit ihrer weniger radikalen Architektur. Törten verkörpert das Industriezeitalter – und ist doch eine grüne Lunge. Alle Häuser verfügen über 350 bis 400 Quadratmeter große Nutzgärten zur Selbstversorgung.
Rätselfragen
- Das Bauhaus musste 1925 auf politischen Druck seinen Sitz nach Dessau verlegen. In welcher Stadt residierte die Architektenschule vor dem Umzug?
- Das Bauhaus musste 1933 auf Druck der Nationalsozialisten schließen. An welchem Institut der Harvard University lehrte Walter Gropius nach seiner Emigration in die USA 1937?
- Die Siedlung Törten wurde 1930 mit sogenannten Laubenganghäusern erweitert. Diese gehören seit 2017 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Welcher Architekt hat die Laubenganghäuser entworfen?
Alle richtigen Einsendungen, die bis zum 25.07.2024 bei uns eingehen, nehmen an einer Auslosung teil.
Preise
1. Preis: Gutschein der Büchergilde Gutenberg, Wert 100 Euro
2.– 4. Preis: Gutschein der Büchergilde Gutenberg, Wert 50 Euro
Schicken Sie uns die Lösung:
Per Post:
Hans-Böckler-Stiftung
Redaktion Mitbestimmung
Georg-Glock-Straße 18
40474 Düsseldorf
Oder per E-Mail: redaktion[at]boeckler.de
Auflösung der Rätselfragen 2/2024:
- 72
- Alnatura
- Spiegel