Quelle: HBS
Magazin Mitbestimmung: Pro und Contra
Soll die EZB verstärkt Staatsanleihen der Euro-Krisenländer aufkaufen?
GEORG ERBER, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) e.V. in Berlin:
„Nein – die sogenannte Bazooka beinhaltet ein nicht kalkulierbares Risiko für die Zentralbank. Die Behauptung, dass die EZB durch den unbegrenzten Ankauf nur die Funktion des Kreditgebers der letzten Zuflucht ausübe, ist irreführend. Sie verstieße gegen den geltenden EU-Vertrag. Die Nichtbeistands-Klausel bezeichnet eine fundamentale Regelung der Wirtschafts- und Währungsunion. Leider hat das Bundesverfassungsgericht sich in seinem Urteil zur Klage gegen den Rettungsschirm für Griechenland und die Errichtung des EFSF nicht klar genug diesbezüglich ausgedrückt. Trotzdem kann die EZB keinen unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen vornehmen. Sie handelte außerhalb des bestehenden Rechtsrahmens, also illegal. Folgt man der Interpretation der beiden Verfassungsrichter Vosskuhle und Di Fabio, dann könnte nur durch einen Volksentscheid eine Verfassungsänderung mit der Abtretung des damit wesentlich berührten Budgetrechts des Bundestags eine hierfür erforderliche Rechtsgrundlage schaffen. Ökonomisch ist ein unbegrenzter Ankauf von Staatsanleihen wegen des damit verbundenen moralischen Risikos eines stabilitätswidrigen Verhaltens abzulehnen. Es verändert die Verschuldungsbereitschaft negativ und führt in das Samariter-Dilemma: Die Hilfsbereitschaft der Helfenden wird ausgenutzt.“
SILKE TOBER, Referatsleiterin Geldpolitik am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung:
Ja – denn die aktuelle Vertrauenskrise droht immer mehr Länder in den Teufelskreis von steigenden Zinsen, Wachstumsschwäche und erneutem Vertrauensverlust zu reißen. Zur Wiederherstellung des Vertrauens muss erstens die EZB ihre Bereitschaft erklären, unbegrenzt stabilisierend am Markt für Staatsanleihen einzugreifen. Eine Inflationsgefahr geht hiervon nicht aus, da die erhöhte Liquidität von der EZB wieder abgeschöpft wird. Damit diese Bereitschaft über jeden Zweifel erhaben ist und weil die EZB durch den Kauf von Staatsanleihen ein erhebliches Risiko eingeht, müssen, zweitens, die Regierungen geschlossen erklären, dass sie eine Zahlungsunfähigkeit eines Eurostaates verhindern werden und es keine Austritte aus dem Euroraum geben wird. Ein Schuldentilgungsfonds mit gesamtschuldnerischer Haftung aller Euroländer, wie vom Sachverständigenrat vorgeschlagen, könnte die Basis für eine solche Garantie liefern; sie müsste von einer stärkeren Überwachung der Haushalte und weiterer makroökonomischer Größen begleitet sein. Drittens muss eine Konsolidierungs- mit einer Wachstumsstrategie gekoppelt sein – nur so ist sie glaubwürdig.“