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Praxistipp: Passgenaue Personalplanung

Ausgabe 03/2023

Das Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung (I.M.U.) wertet regelmäßig Betriebs- und Dienstvereinbarungen aus und zeigt anhand von Beispielen, worauf es ankommt. Mit der Reihe „Praxistipp“ stellen wir in jeder Ausgabe eine Auswertung vor.

Darüber, wie viele Auszubildende benötigt werden, bestimmt beim Chemie-Konzern Evonik eine Software mit. Natürlich mitbestimmt. In einer Zeit, in der Fachkräfte für Unternehmen zunehmend wertvoller werden und immer schwerer zu bekommen sind, tun Unternehmen gut daran, die Ausbildung gut aufzustellen und in die strategische Personalplanung zu integrieren. Bei Evonik wurde dazu ein IT-Tool entwickelt, das fünf Jahre in die Zukunft schauen kann und für diesen Zeitraum den Bedarf an Fachkräften ermittelt. Über das System, das in der ersten Einsatzphase 2015 eine Trefferquote zwischen 95 und 98 Prozent bei der Planung des Ausbildungsbedarfs erzielte, wurde eine Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossen. Sie regelt auch die unbefristete Übernahme ab dem Ausbildungsjahrgang 2016.

Die Vereinbarung zeigt, so der Tenor der Beteiligten, dass eine präzise Personalplanung auch in unsicheren Zeiten möglich ist. Vor allem die Übernahmegarantie verschafft dem Arbeitgeber einen Vorteil im Wettbewerb um Auszubildende. Die gezielte Ausbildung von Fachkräften für den eigenen Bedarf macht das Unternehmen unabhängiger vom externen Arbeitsmarkt. Nach den guten Erfahrungen in der Ausbildung kann die Praxis zukünftig auch beispielsweise auf den technischen oder akademischen Bereich ausgedehnt werden.

Auf Unverständnis stieß bei einem Teil der Belegschaft allerdings die Tatsache, dass die Zahl der Auszubildenden mit der neuen Strategie der Passgenauigkeit zurückgegangen ist. Denn mit ihr hat das Unternehmen dem bisherigen Prinzip, über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden, den Rücken gekehrt. Allerdings muss man berücksichtigen, dass jetzt auch andere Unternehmen der Region ausbilden, die sich bisher auf das Überangebot bei Evonik verlassen hatten. Hier werden sie von Evonik weiter unterstützt. Bislang ist Evonik in der Branche mit dieser Methode – weg von der Ausbildung über den Bedarf hinaus, hin zum professionellen Ausbildungsdienstleister für andere – noch ziemlich allein unterwegs. Hier bahnt sich vielleicht ein neues Geschäftsfeld an. Jedenfalls kennt der Betriebsrat kein anderes Unternehmen in der chemischen Industrie mit einer solch exakten Personalplanung – und darauf ist er auch ein wenig stolz.

 

Mehr zum Thema

Mehr über die Vereinbarung bei Evonik unter:
Bedarfsgerecht ausbilden (2023)

Weitere Fragen an:
betriebsvereinbarung[at]boeckler.de

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