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Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Pflichtversicherung für alle

Ausgabe 03/2016

Karin Schulze Buschoff zeigt auf, was gegen die Altersarmut Selbstständiger getan werden muss.

Der aufziehende Bundestagswahlkampf hat sein Top-Thema. Altersarmut – wovor Fachleute, nicht zuletzt des WSI, schon seit Jahren warnen. Unter den zahlreichen Reformvorschlägen rangiert der ganz oben, nach dem Selbstständige aller Art in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert werden sollten. Viele von ihnen sind wegen ihrer häufig niedrigen Einkommen und einer entsprechend geringeren Sparfähigkeit besonders stark dem Risiko Altersarmut ausgesetzt.

In der Tat wäre eine rentenrechtliche Gleichbehandlung von Selbstständigen und abhängig Beschäftigten – also die Pflichtversicherung aller in einem System – erstrebenswert. So wäre ein Wechsel des Erwerbstatus – von abhängig zu selbstständig – nicht mehr mit Nachteilen in der Sozialversicherung verbunden. Dies ist besonders interessant, wenn die selbstständigen Tätigkeiten eine höhere Beschäftigungsdynamik aufweisen.

Doch es ist nicht einfach, einen solchen Plan umzusetzen. Eine klare, einfache Lösung liegt nicht auf der Hand. Warum? Zum einen, weil die soziale Sicherung Selbstständiger in Deutschland sehr speziell geregelt ist – anders als etwa bei den europäischen Nachbarn, wo diese Berufsgruppen in der Regel systematisch in die staatlichen Pflichtversicherungssysteme integriert sind. In Deutschland dagegen ist bisher nur etwa ein Viertel der Selbstständigen pflichtversichert, wie etwa Künstler oder Landwirte, aber insgesamt zu recht unterschiedlichen Bedingungen.

Die Beiträge sind das zentrale Problem einer Pflichtversicherung für alle. Wie hoch sollen und können sie sein? Denn bei einer paritätisch angelegten Beitragszahlung „fehlt“ der Arbeitgeberanteil. Wenn er von den selbstständig Beschäftigten mitgetragen werden müsste, wären die Beiträge relativ hoch, was im unteren Einkommensbereich einen großen Batzen ausmacht.

Wie aber könnte der fehlende Arbeitgeberanteil ausgeglichen werden? Dafür sind verschiedene Varianten denkbar. Erstens: die Beteiligung der Auftraggeber an den Versicherungsbeiträgen, zum Beispiel in Form einer Auftraggeberabgabe. 

Konkret könnte das bedeuten, dass jeder, der Selbstständige beauftragt, im Rahmen einer gesetzlichen Auftraggeberbeteiligung zur Zahlung von Versicherungsbeiträgen verpflichtet werden würde. Allerdings bestehen berechtigte Zweifel an der Praktikabilität dieser Regelung, zumindest für bestimmte Berufsgruppen (z.B. im Einzelhandel). Hier sind weitere Expertisen angeraten, mit dem Ziel, die Durchführbarkeit einer Auftraggeberabgabe zu prüfen. Die zweite Variante wäre ein Zuschuss zu den Beiträgen aus Steuermitteln, wie dies in Österreich praktiziert wird.Denkbar wäre auch ein ermäßigter Beitragssatz für Selbstständige. Dadurch würde zumindest die Beitragslast reduziert werden, allerdings um den Preis, dass Anwartschaften und Rentenleistungen entsprechend reduziert wären.

Eine weitere Variante wäre schließlich eine Kombination aus Auftraggeberabgabe und Zuschuss aus Steuermitteln, analog zum Modell der Künstlersozialkasse, die in Deutschland seit 1983 existiert.

Wie auch immer die Politik sich entscheidet, auf keinen Fall sollte der deutsche Sonderweg weiter beschritten werden, für immer mehr Gruppen von Selbstständigen rentenrechtliche Sonderregelungen zu schaffen. Diese Sonderregelungen privilegieren bestimmte Gruppen und schaffen zugleich neue Ausgrenzungen und Hürden für andere. Sie produzieren neue Ungleichheiten. Stattdessen sollte eine möglichst universelle Regelung geschaffen werden.

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