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Magazin Mitbestimmung

: Mein Arbeitsplatz

Ausgabe 09/2011

Ukraine, Tschernobyl „Für mich ist es Alltag, mich in der Sperrzone von Tschernobyl aufzuhalten. Natürlich denke ich oft daran, welche gesundheitlichen Folgen das haben kann...

...Ich mache aber immer die erforderlichen ärztlichen Tests und wohne nicht fest hier. Als Hausmeister des Tourismusrates von Tschernobyl arbeite ich vier Tage in der Sperrzone. Die drei übrigen Tage der Woche lebe ich außerhalb, dann bin ich bei meiner Tochter in unserer Wohnung in einer Stadt südlich der Sperrzone. Meine Frau ist leider verstorben. 

Vor der Explosion im Atomkraftwerk Tschernobyl vor 25 Jahren arbeitete ich als Bauarbeiter am Reaktorblock 5. Wir wohnten damals in Prypjat, bloß drei Kilometer vom AKW, und wurden wenige Tage nach dem Unfall evakuiert. Von 1993 bis 2000 war ich dann Förster im Waldgebiet bei Tschernobyl. Meine Aufgabe war es, den Wald und das Tierleben zu schützen; ein sehr interessanter Beruf, obwohl die Gegend von der radioaktiven Strahlung zum Teil massiv verseucht ist. 

Viele unserer Besucher sind überrascht, dass es der Natur in der Sperrzone so gut geht. Die Fauna ist überwiegend intakt, und wir haben so viele wilde Wölfe, dass wir den Bestand begrenzen müssen. In dieser Saison haben wir etwa 20 erschossen. Es gibt auch rund 60 wilde mongolische Pferde im Gebiet. Man kann aber nichts aus der Zone essen, auch die erschossenen Tiere werden vernichtet, weil sie Strontium und andere radioaktive Materialien in ihren Körpern haben. Im Labor sagen sie, dass es die Grenzwerte sehr deutlich übersteigt. Übrigens wissen wir nicht genau, wie es dem Wildleben geht, weil kranke oder mutierte Tiere in der natürlichen Selektion sofort sterben. Da haben wir keinen Überblick. 

Ich bin Mitglied einer staatlichen Gewerkschaft, die für die Tschernobyl-Arbeiter kämpft. In den Jahren nach dem Unfall 1986 haben wir viel Aufmerksamkeit bekommen und wurden für die gefährliche Arbeit belohnt und geachtet. Ich mag meinen heutigen Job als Hausmeister beim Tourismusrat gern, auch wenn uns die Regierung vergessen hat. Viele meiner Freunde und Kollegen sind gestorben, wir werden schlecht bezahlt und nicht geachtet. Leider ist das aber ein Spiegel der ukrainischen Gesellschaft, die von Korruption geprägt ist und wo der Unterschied zwischen Arm und Reich sehr groß ist.“

Textdokumention:  Mathias Irminger Sonne
Foto: Michael Hughes

Zur Person

Valery Sabiyaka, 54, ehemaliger Förster im Waldgebiet bei Tschernobyl, arbeitet heute als Hausmeister in Tschernobyl Town, 18 km südlich vom AKW, wo sich am 26. April 1986 der bisher schlimmste Super-GAU ereignete. Sabiyaka betreut die Gebäude des Tourismusrates, der sich um tausende Journalisten, Touristen und Umwelt-Vertreter kümmert, die jedes Jahr die Sperrzone besuchen.

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