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Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Mehr Chancen auf Bildung

Ausgabe 11/2012

Bärbel Friedrich, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Stiftungsprojekts "Dritter Bildungsweg" über Studienförderung für Talente ohne Abitur: "Die Stiftung setzt ein politisches Signal für mehr Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung."

Viele beruflich Qualifizierte schrecken vor der Aufnahme eines Studiums und dem Schritt in eine fremde akademische Lernwelt zurück. Daran hat auch der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom März 2009 wenig geändert, der formal einen direkten Weg an die Hochschule eröffnet hat: den sogenannten dritten Bildungsweg für beruflich Erfahrene, die kein Abitur und damit keine schulische Hochschulzugangsberechtigung haben. Damit will die Politik, in seltener Einmütigkeit unterstützt von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften, nicht nur dem zunehmenden Fachkräftemangel begegnen, der sich in Kombination mit den ersten Auswirkungen des demografischen Wandels auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar macht. Ebenso geht es darum, im Rahmen der Umsetzung der europäischen Bildungsreformen die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung in Deutschland zu verbessern und die Attraktivität beruflicher Bildung durch die Option auf ein Hochschulstudium zu erhöhen. Gelingt dies, könnte damit ein wesentlicher Beitrag zu mehr sozialer Durchlässigkeit an den Hochschulen geleistet werden.

Von dieser Öffnung sind die Hochschulen aber noch weit entfernt. Der Anteil der Studienanfänger ohne Abitur im bundesweiten Durchschnitt liegt bei bescheidenen zwei Prozent. Durch den KMK-Beschluss sind zwar die Rahmenbedingungen verbessert worden, aber die Hochschulen sind oft überfordert. Nur wenige verfügen über Erfahrungen im Unterrichten dieser Studierendengruppe. Auch pflegen Teile der Professorenschaft ihnen gegenüber immer noch Ressentiments. Negativ verstärkend wirkt zudem, dass in den nächsten drei Jahren durch die „doppelten“ Abiturjahrgänge die Studierendenzahl rasant steigt und zu wenig Geld für die Erprobung von neuen Lehrkonzepten zur Verfügung steht. Doch wenn sich die Hochschulen zu „offenen Hochschulen“ weiterentwickeln sollen, muss vor allem die Studieneingangsphase entsprechend der Unterschiedlichkeit der Bildungswege und der Zugangsvoraussetzungen der Studienanfänger neu gestaltet werden.

Hier setzt die Hans-Böckler-Stiftung mit dem Modellprojekt „Dritter Bildungsweg“ an. Ziel ist es, herauszufinden, wie mehr Menschen motiviert werden können, den dritten Bildungsweg zu beschreiten, und wie eine erfolgreiche Studienaufnahme über den dritten Bildungsweg realisiert werden kann.

Die Forschung ist darin einig, dass nur durch den Ausbau eines attraktiven Stipendienprogramms mehr Studierende für den dritten Bildungsweg gewonnen werden können. Die Hans-Böckler-Stiftung mit ihrer Expertise als Studien- und Begabtenförderungswerk ist die erste Stiftung, die ein umfassendes Förderprogramm für den Übergang vom Beruf ins Studium anbietet. Sie setzt damit auch politisch ein Signal: für mehr Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung und mehr Bildungsgerechtigkeit.

Zu den zentralen Aufgaben des Modellprojekts gehört es, umfassende, leicht zugängliche Informationen zum Studium ohne Abitur anzubieten, die Studienaufnahme zu unterstützen und einen erfolgreichen Beginn des Studiums zu gewährleisten. Studienabbrüche sollen durch gezielte, individuelle Begleitung und Unterstützung vermieden werden. Im Ergebnis soll es die Studierenden des dritten Bildungsweges zu einem konkurrenzfähigen und erfolgreichen Studienabschluss führen. Gleichzeitig sollen die Hochschulen angeregt werden, Inklusionsmechanismen aufzubauen und sich einem erweiterten Studierendenspektrum zuzuwenden. Es sollen Instrumente entwickelt werden, die ohne großen Aufwand an jeder Hochschule und Universität eingesetzt werden können und eine Integration der Studierenden des dritten Bildungsweges in die akademische Lernwelt ermöglichen.

Das Modellprojekt wird in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Ingenieurwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen sowie dem Fachbereich Gesundheitswesen an der Fachhochschule Niederrhein durchgeführt. Pro Jahr werden in drei aufeinanderfolgenden Jahrgängen und je Hochschulstandort 15 Stipendiatinnen und Stipendiaten der ingenieurwissenschaftlichen bzw. gesundheitswissenschaftlichen Studiengänge (Bachelor-Abschlüsse im Vollzeitstudium) in die Förderung aufgenommen. Bewerbungsschluss für die ersten Stipendien ist der 1. Februar 2013. 

Mehr Informationen

Alles zum Böckler-Modellprojekt Dritter Bildungsweg auf der Homepage der Stiftung. Mit Hinweisen zu Bewerbungsvoraussetzungen für Stipendien. 

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