zurück
Tanja Trost, stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der DB Fahrwegdienste Magazin Mitbestimmung

Aufsichtsratsporträt: „Manchmal zerreißt es mich innerlich“

Ausgabe 06/2024

Tanja Trost, stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der DB Fahrwegdienste GmbH. Von Andreas Molitor

Tanja Trost ist für fünf Jahre gewählt, und trotzdem fragt sie ihre Kolleginnen und Kollegen auf der Arbeitnehmerbank Jahr für Jahr: „Wollt ihr, dass ich weitermache?“ Als Aufsichtsrats-Vize bei der Bahn-Tochter DB Fahrwegdienste GmbH vertritt sie 3200 Beschäftigte. Doch die von der EVG in das Gremium gewählte 41-Jährige ist nicht nur Gewerkschafterin, sondern auch Geschäftsführerin – beim Fonds für Wohnen und Mobilität, einer gemeinsamen Gründung von Bahn und Gewerkschaft. Er vergibt Zuschüsse an EVG-Mitglieder, die bei der Bahn arbeiten und für die der Weg zur Arbeit und das Wohnen immer teurer wird.

„Ich stehe ja ein Stück weit auf der anderen Seite“, erklärt Trost ihre mitunter heikle Rolle. „Deshalb vergewissere ich mich bei unserer Arbeitnehmerbank immer regelmäßig, ob ich ihr Vertrauen noch habe.“ Sie führt mit ihren Beschäftigten beispielsweise Gehaltsverhandlungen, „und da sehe ich, dass manches, was ich ihnen eigentlich gönnen würde, leider nicht machbar ist“. Manchmal, sagt sie, „zerreißt es mich regelrecht. Aber ich weiß immer, wo ich herkomme.“ Bei den Aufsichtsratssitzungen hilft ihr der Perspektivwechsel. Die andere Seite weiß, dass ich auf viele Dinge, die sie uns vorlegen, noch mal anders draufschaue“, sagt Tanja Trost.

Aufgewachsen ist sie im Zonenrandgebiet in Rotenburg an der Fulda, „eine renitente Gegend“, damals ein Sammelbecken für Umwelt- und Friedensaktivisten. Beide Eltern arbeiteten bei gesetzlichen Krankenkassen, beide waren Gewerkschafter und aktiv im Betriebs- und Personalrat. Tanja Trost erinnert sich gern an die Maikundgebungen „mit Mettbrötchen, Gulaschsuppe und Stefan Körzell, der kommt ja auch aus der Gegend.“ Nach dem Politikstudium und ersten beruflichen Stationen beim DGB wechselte sie 2017 zur EVG, weil sie „näher an den Mitgliedern“ sein wollte. Sie betreute die Sozial-, Senioren- und Gleichstellungspolitik, bis der EVG-Vorsitzende Martin Burkert eines Tages fragte: „Könntest du dir vorstellen, den Wo-Mo-Fonds zu leiten?“

Im Aufsichtsrat kannte sie wegen der Corona-Beschränkungen anfangs nicht mal die Vertreter der eigenen Bank. Nach einer „Schnellbesohlung“ mit Aufsichtsrats-Basiswissen machte sie sich mit dem Geschäft der Fahrwegdienste vertraut. „Die Kollegen haben mir alles gezeigt – von der sieben Meter langen Baumsäge über die Schneeräumfahrzeuge bis zu den Lurchfolien. Das war total wichtig. Ich musste ja verstehen, was die machen.“

Auf der Arbeitnehmerbank hat sich eine gute Arbeitsteilung etabliert. Als Akademikerin hat Tanja Trost gelernt, „komplexe Texte und umfangreiches Zahlenwerk zu verstehen und daraus dann für die Sitzung Fragen zu formulieren“. In anderen Bereichen sind ihr die praxisgestählten Kollegen wiederum voraus. „Die wissen genau, ob die Personalbemessung für eine Sanierung realistisch ist, oder warum der Krankenstand in einem Bereich gerade durch die Decke geht“, sagt Tanja Trost. „Wir ergänzen uns richtig gut. Und wenn ein Kollege dann sagt: ‚Was hier steht, ist ja totaler Quatsch‘, dann formuliere ich das wieder in eine Frage um, die man in der Sitzung stellen kann.“

Die anderen auf der Arbeitnehmerbank haben, so beobachtet sie, „einen Teil ihrer früheren Ehrfurcht vor der Aufsichtsratsarbeit abgelegt“. Anfangs habe nur sie geredet, „aber das hat sich geändert. Jetzt stellen sie auch selbst mal spontan eine Frage. Den Mut musste man halt ein bisschen aus ihnen rauskitzeln.“

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen