zurück
Team des Sozialunternehmens KBF in Mössingen Magazin Mitbestimmung

Betriebsrätepreis: „Machen, was machbar ist“

Ausgabe 06/2023

Der Gemeinschaftsbetriebsrat des schwäbischen Sozialunternehmens KBF ist mit seiner freiwilligen Betriebsvereinbarung zur Nachhaltigkeit für den Betriebsrätepreis 2023 nominiert. Von Stefan Scheytt

Der große Wurf, findet Timo Heimberger, wäre es, das Betriebsverfassungsgesetz umzuschreiben, und zwar so, dass Betriebsräte beim Thema Nachhaltigkeit endlich substanziell mitbestimmen könnten. Das wäre ganz auf der Linie des DGB, der schon vor gut einem Jahr einen Reformentwurf präsentierte, der das Gesetz modernisieren und abhängig Beschäftigten mehr Einfluss bei der sozial-ökologischen Transformation geben würde. Daraus ist bekanntlich noch nichts geworden, weshalb Betriebsratschef Timo Heimberger und seinen 16 Kollegen nur die Möglichkeit einer freiwilligen Betriebsvereinbarung blieb. „Man kann kritisieren, dass da wenig Hartes drinsteht“, sagt Heimberger, „aber es ist ein Anfang gemacht: Wir haben Strukturen dafür geschaffen, dass Geschäftsführung und Arbeitnehmervertreter Umwelt- und Zachhaltigkeitsthemen nun dauerhaft bearbeiten können.“

Um das richtig einzuordnen, muss man wissen, dass Heimbergers Arbeitgeber ein großes Sozialunternehmen ist. Die gemeinnützige KBF im schwäbischen Mössingen betreibt mit 1600 Mitarbeitern rund 80 Einrichtungen in drei Landkreisen von der integrativen Kita bis zum Altenheim und zu Wohnhäusern für Erwachsene mit Behinderung. Da die Mittel dafür überwiegend aus Vergütungssätzen von Landkreisen und Sozialkassen stammen, ist der Spielraum etwa für Investitionen in die energetische Sanierung der vielen Gebäude begrenzt. Umso wichtiger sei es, mithilfe der Betriebsvereinbarung dort Veränderungen anzustoßen, wo es Spielräume gebe, sagt Timo Heimberger. Der Sonderschullehrer studierte berufsbegleitend Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit und ist politisch für die Grünen aktiv, in der KBF ist er eine der treibenden Kräfte für das Thema und brachte vor einigen Jahren den Nachhaltigkeitsausschuss auf den Weg.

Der jüngste Vorstoß der Arbeitnehmervertretung ist nun die freiwillige Betriebsvereinbarung. Darin sind – unter anderem – regelmäßige Gespräche des Betriebsrats mit der Geschäftsleitung oder dem Referat Bauwesen verankert; vereinbart ist außerdem, dass sich die Beschaffung auch an ökologischen Kriterien orientieren muss, dass intern einschlägige Fortbildungen angeboten werden oder dass Beschäftigte über die Mail-Adresse „nachhaltigkeit@kbf.de“ Verbesserungsvorschläge einreichen können, die garantiert geprüft und gegebenenfalls honoriert werden. Bei Gebäudesanierungen oder Neubauten sollen nachhaltige Lösungen bevorzugt, der riesige Fuhrpark Auto für Auto verbrennerfrei gemacht werden.

Neuer Schub für Nachhaltigkeit

Was die seit Sommer 2022 gültige Betriebsvereinbarung konkret bewirkte, ist nicht trennscharf zu benennen, weil viele Ideen auch schon vorher in unterschiedlichen Zusammenhängen diskutiert wurden. Durch die Vereinbarung bekomme Nachhaltigkeit nun aber neuen Schub und eine höhere Dringlichkeit, meint Betriebsratsvize Gernot Strasser: „Die Themen werden jetzt automatisch mitgedacht, sind immer präsent.“ So prüft die Verwaltung derzeit, ob sich genügend KBF-Einrichtungen am Projekt „Windel-Willi“ beteiligen, bei dem eine kirchliche Stiftung Windeln aus der Alten- und Behindertenhilfe verbrennt und damit CO2-sparend ihr Wärmenetz betreibt. Auch dass die drei großen KBF-Küchen, die täglich Tausende Essen kochen, einen Veggie-Day eingeführt haben, sei schon länger diskutiert, nun aber endlich realisiert worden. Zugesagt ist schließlich auch, die vielen ausrangierten Möbel und anderen Gegenstände im zentralen Lager auf einer digitalen Plattform zu katalogisieren und so für mehr Wiederverwertung zu sorgen.

Man sei sehr gern auf die Idee des Betriebsrats für eine Betriebsvereinbarung eingegangen, versichert Wolfgang Welte, einer von drei Geschäftsführern. Natürlich leisteten Photovoltaikanlagen auf KBF-Dächern oder Nahwärmenetze zwischen den KBF-Gebäuden einen größeren Beitrag zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks. Beides ist in begrenztem Umfang schon umgesetzt oder in Planung. Deshalb dürfe man die Wirkung der Betriebsvereinbarung jedoch nicht unterschätzen: „Durch sie kommen die Themen immer wieder auf den Tisch, im Unternehmen und bei jedem Einzelnen. Sie spricht alle Mitarbeitenden an und wirkt bis ins Private hinein: Man denkt dadurch anders über das Thema nach.“ Fast wortgleich formuliert es Betriebsratschef Heimberger: „Das Wirkmächtigste der BV ist, dass sich eine andere Geisteshaltung etabliert. Und wir tragen dazu bei, dass das, was machbar ist, auch gemacht wird.“

Mehr zum Betriebsräte-Preis 2023

Der Deutsche Betriebsräte-Preis wird im Rahmen des Deutschen Betriebsrätetags am 9. November in Bonn verliehen. Aus 76 Bewerbungen wurden zwölf Projekte nominiert. Eines davon ist das des Betriebsrats des Sozialunternehmens KBF in Mössingen, der in diesem Jahr den Sonderpreis in der Kategorie „Innovative Betriebsratsarbeit“ erhält.

Mehr über die nominierten Betriebsräte auf der Seite des I.M.U. zum Betriebsräte-Preis 2023

Das Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung bietet ein Archiv mit zahlreichen Betriebsvereinbarungen.

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen