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Hermann Soggeberg, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Unilever Deutschland Holding, mit Elbphilharmonie im Hintergrund Magazin Mitbestimmung

Aufsichtsratsporträt: Kraft der Vielen

Ausgabe 05/2024

Hermann Soggeberg, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Unilever Deutschland Holding. Von Dirk Manten

Brütend heißes Spätsommerwetter wie in diesem Jahr sorgt bei Hermann Soggeberg normalerweise für gute Stimmung – weil es dem Eiscremeabsatz noch einmal einen kräftigen Schub verpasst und Jobs in der Eisproduktion sichert. In der Regel sind das gute Nachrichten für den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Unilever Deutschland Holding, zu deren Produktportfolio neben Marken wie Pfanni, Knorr oder Duschdas auch Speiseeis von Langnese, Magnum oder Ben & Jerry’s gehört. Doch in diesem Jahr konnte selbst der Spätsommer-Booster die Sorgen des 57-Jährigen nicht vertreiben. Denn der Vorstand des britischen Konzernriesen hat im Frühjahr beschlossen, im Zuge eines Sparprogramms sein Eiscremegeschäft abzuspalten. Unilever will den Geschäftsbereich an die Börse bringen oder verkaufen. Arbeitsplätze sind in Gefahr. „Unser Eis fährt zwar Gewinne ein, die Margen reichen den Aktionären aber nicht.“ Das alte Lied. „Mit der Abspaltung“, kritisiert Soggeberg, „agiert das Management wieder einmal sehr fantasielos. Die Nachricht hat uns schockiert.“

Seit drei Jahrzehnten ist Soggeberg, der im münsterländischen Dülmen lebt, Betriebsrat bei Unilever, seit 2011 als Arbeitnehmervertreter stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschland Holding. Sich für andere einzusetzen, ist für den mit einer Lehrerin verheirateten Vater eines Sohnes selbstverständlich. Von seinen Eltern seien ihm christliche Werte vermittelt worden, erzählt er. Der Vater war Mitglied der Katholischen
Arbeitnehmerbewegung. Soggeberg selbst ist zwar „von Herzen Sozialdemokrat“, sagt aber: „Nächstenliebe und Solidarität stehen für mich nicht in einem Widerspruch zueinander.“

In Kontakt zur Gewerkschaftsbewegung kam Soggeberg nach seiner Ausbildung zum Bäcker als Fachabiturient in Gelsenkirchen. Damals, Ende der 1980er Jahre, fuhr er mit anderen Schülern zu den Demonstrationen zum Erhalt des Krupp-Hüttenwerks in Duisburg-Rheinhausen, das letztlich den Kostensenkungsplänen des Konzernvorstands geopfert wurde. Soggeberg erinnert sich an den machtvollen Protest von Zehntausenden. „Da war eine unglaubliche Kraft spürbar“, sagt er.

Nach dem Fachabitur begann Soggeberg ein Studium der Lebensmitteltechnik. Seinen Lebensunterhalt finanzierte er mit einem Job in der Produktion im Langnese-Iglo-Werk im münsterländischen Reken, wo er schon bald mit seinen Ideen auffiel und in die Qualitätssicherung aufrückte. Das Werk in Reken gehört schon lange nicht mehr zum Konzern. Mittlerweile hat der Vorsitzende des Europäischen Betriebsrats und des Konzernbetriebsrats sein Büro in der deutschen Unilever-Zentrale in Hamburg. Als Mitglied des Hauptvorstands der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) trägt er jetzt auch bundesweit Verantwortung für die organisierten Beschäftigten der Branche. Er ist viel unterwegs, beispielsweise zu den Tagungen der internationalen Betriebsratsgremien, die häufig in Rotterdam stattfinden. Andere Dienstreisen führen nach Neapel oder Vilnius. Das geht zulasten seiner Leidenschaft für sportliche Aktivitäten: „Eigentlich kann ich nur noch laufen“, sagt er.

Die Arbeit auf der europäischen Ebene fasziniert den Gewerkschafter. „Wenn es gelingt, die unterschiedlichen Kulturen nationaler Interessenvertretung zu bündeln, kann hier eine echte Kraft entstehen“, so das Resümee seiner bisherigen Erfahrungen. Es gelinge den Arbeitnehmervertretungen aus unterschiedlichen Ländern, „mit einer abgestimmten Strategie aufzutreten“. Deshalb respektiert das Management den Europäischen Betriebsrat als Gesprächspartner auf Augenhöhe. „Und das ist doch ein großer Erfolg.“

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