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Magazin MitbestimmungGesellschaft: Klima des Hasses
Die Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten ist für die Gewerkschaften ein schwieriges Terrain. Ein Beispiel aus der IG BAU zeigt: Wer sich engagiert, wird massiv angefeindet – sogar von eigenen Kollegen. Doch es gibt neue Wege, der wachsenden Intoleranz zu begegnen. Von Susanne Kailitz
Vor fünf Wochen hat Denny W. die Aktion „Meine Stimme gegen die AfD“ ins Leben gerufen. Seither veröffentlicht er auf der Facebook-Seite der IGay BAU, der Vertretung der Homosexuellen innerhalb der IG BAU, Statements von Gewerkschaftsmitgliedern gegen die Partei. Er ist überzeugt: „Die Rechtspopulisten vertreten unsere Interessen nicht, und darauf muss man immer wieder deutlich hinweisen.“ Schon lange setzt W. sich für Kollegen ein, die diskriminiert und ausgegrenzt werden, bezieht Stellung, wenn es schwulen- oder ausländerfeindliche Sprüche gibt – für ihn eine Selbstverständlichkeit. Mit der Stimmen-Aktion setzt er sich nun auf einer weiteren Plattform dafür ein, dass seine Kollegen darüber nachdenken, ob die selbst ernannte „Alternative für Deutschland“ wirklich eine Option ist, wenn es um Probleme wie Lohndumping, Altersarmut oder schlechte Arbeitsbedingungen geht. Die Partei ist legal – aber ist sie auch legitim? Ist sie für Gewerkschaftsmitglieder wählbar?
An der Spitze der Gewerkschaft hat man dazu eine dezidierte Meinung. Die IG BAU hat in einem Positionspapier („Grundsätze gegen rechts“) erklärt, diese Partei wolle Erwerbslose und Rentner lediglich als „Wählermasse für ihre demokratiefeindlichen Bestrebungen gewinnen, die sich auch gegen die Gewerkschaften richten“. Weiter heißt es: „Vor diesem Hintergrund und den Erfahrungen mit dem historischen Faschismus nimmt die AfD für die IG BAU eine Sonderstellung unter den im Bundestag vertretenen Parteien ein.“ Denny W. macht nichts anderes, als dieses Papier aus der Zentrale mit Leben zu füllen. Doch die Argumente seiner Kampagne scheinen bisher nur wenig gehört zu werden. Eingebracht hat die Aktion dem Sprecher der Vertretung der Homosexuellen innerhalb der Bau-Gewerkschaft bisher vor allem eines: Hass.
Seit die Aktion online sei, erzählt Denny W., werde er massiv bedroht und beschimpft. Man wolle ihn körperlich angreifen, sein Haus anzünden, er wird beleidigt und verhöhnt. Viele dieser Kommentare sind noch immer online, einige wurden durch Facebook gelöscht. All das sei heftig, sagt W. So heftig, dass er, der sonst keine Auseinandersetzung scheut, nicht mit seinem vollen Namen zitiert werden möchte, um seine Familie zu schützen. In privaten Nachrichten teilen ihm Menschen mit, dass die „Masse der anständigen Deutschen“ lieber „nichts mit Schwulen zu tun“ habe. Immer erklären User ihm, sie würden aufgrund der Aktion die Gewerkschaft verlassen; die gleiche Ankündigung findet sich auch auf der Seite der IG BAU, auf der die Kampagne geteilt wird. Dort wird die Gewerkschaft aufgefordert, sich um die Rechte der Arbeitnehmer zu kümmern, anstatt sich politisch zu positionieren.
Dabei sieht man genau das im Frankfurter Hauptquartier der Organisation deutlich anders: In ihrem Papier heißt es, die demokratische Grundordnung gerate immer stärker in Bedrängnis, und die Gewerkschaft stelle sich entschlossen einer „Politik der Abschottung, Ausgrenzung und Kriminalisierung von Geflüchteten entgegen, damit Menschenfeindlichkeit nicht zur Normalität werden“ könne. Die Zentrale verlangt eine klare Haltung: „Dies gelingt uns, indem wir aufklären, uns abgrenzen und uns der AfD auf den Straßen und in den Betrieben in den Weg stellen.“
Bestandsaufnahme ohne Illusionen
Das Statement der Gewerkschaft ist eindeutig. Und es ist ein Risiko – das belegen allein die Kommentare auf der IG-BAU-Facebook-Seite. Man sei sich dessen bewusst, sagt Christoph Mayer, als wissenschaftlicher Mitarbeiter inhaltlich verantwortlich für das Papier, dass man mit einer so dezidierten Position gegen die AfD nicht die Meinung aller Mitglieder trifft.“ Dennoch sei der Vorstand „ausgesprochen klar“ in seinem Entschluss gewesen, das Papier zu veröffentlichen. Dass das Mitglieder kosten kann, weiß man von den Kollegen der IG Metall. Als deren Chef Jörg Hofmann im Jahr 2015 feststellte: „Wer hetzt, der fliegt“, habe es Hunderte Austritte gegeben, heißt es.
Die IG BAU befindet sich im gleichen Dilemma wie fast alle Gewerkschaften: dass nicht kleine Teile ihrer Mitglieder rechte und rechtsextreme Positionen teilen. Man wisse um diese Tatsache schon lange, sagt Peter Kern. Der Erwachsenenbildner arbeitet für das Peco-Institut, das eng mit der IG BAU verbunden ist, und ist selbst seit den 90er-Jahren Mitglied der Gewerkschaft. Man dürfe sich keine Illusionen darüber machen, wie stark man in die Betriebe wirken könne. Dass die IG BAU sich klar positioniert und nun auch in den eigenen Reihen aktiv wird, findet er gut: So gibt es künftig für alle Hauptamtlichen der Gewerkschaft verpflichtende Seminare, die sie schulen sollen im Umgang mit rechten Parolen.
Es reicht nicht, nur dagegen zu sein
„Hier ist die Haltung der Organisation vollkommen klar“, sagt er, „aber was vor Ort konkret passiert, lässt sich von oben nur schwer beeinflussen.“ Dass auf den Baustellen bei rassistischen Sprüche immer angemessen reagiert werde, dafür würde er „ die Hand nicht ins Feuer legen“. Ob die Haltung der Gewerkschaft in den Betrieben gelebt werde, sei„abhängig von den konkreten Menschen vor Ort.“
Deshalb schult das Peco-Institut auch sogenannte Mitmachscouts: Sie sollen als Multiplikatoren ihre Kollegen unterstützen, gegen Menschenfeindlichkeit anzugehen. Gerade befindet sich das Peco-Institut mitten in einem Strategie- und Perspektivwechsel: Es gehe nicht darum, „immer nur gegen etwas zu sein“, sagt Kern. „Wir müssen erst einmal eine klare Vorstellung davon entwickeln und formulieren, wie die Wirklichkeit ist, die wir uns wünschen. Viele Begriffe, wie etwa Gerechtigkeit, haben die Rechten uns abgenommen; die müssen wir erst einmal wieder füllen.“ Es geht also darum, eine eigene Vision der Gesellschaft zu entwickeln, die anders und attraktiver ist als die Vorstellungen völkischer oder rechtspopulistischer Agitatoren. Darüber könnte man mit den Mitgliedern ins Gespräch kommen: Wie wollt ihr in Zukunft leben? Und wo ist die Grenze, die Widerspruch und Gegenargumente herausfordert?
Die Seminare sind überbucht
Einer, der diese Strategie lernen will, ist Stefan Wilke. Der gelernte Beton- und Stahlbauer hat die Branche gewechselt und arbeitet inzwischen als Rechtsanwaltsfachangestellter, ist aber noch immer IG-BAU-Mitglied. In seiner aktuellen Branche gebe es wenig offenen Rassismus. Dennoch erlebe doch jeder auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln so etwas immer wieder – und sei hilflos: „Viele Menschen wissen nicht, wie sie auf rechte Parolen und Aussagen reagieren sollen, und bleiben sprachlos.“
Gerade im rechten Raum sei es „weit verbreitet, auf Gegenargumente nicht zu reagieren, sondern einfach zu dem nächsten Thema zu hüpfen“. Beim Peco-Institut soll man lernen, das Gegenüber auf ein Thema festzunageln, um sinnvoll argumentieren zu können. Weiteres Ziel der Ausbildung ist es, dass die Mitmachscouts eigene Projekte entwickeln, um Kollegen zu unterstützen. In Wilkes Gruppe führte das dazu, dass ein Argumentationstraining organisiert wurde, in dem die Teilnehmer in verschiedenen Übungen trainiert haben, auf Parolen zu reagieren.
Jörg Weißgerber, der als Ausbilder für die Mitmachscouts mit Wilkes Gruppe arbeitet, ist froh, dass das Angebot so gut angenommen wurde. Für den anstehenden Workshop in Niedersachsen hat er viel mehr Anmeldungen bekommen, als es Plätze gibt: „Das Interesse ist riesengroß“.