Quelle: Miguel Castro
Magazin MitbestimmungLieferketten: Klima der Angst
Wer sich in Ecuador gegen die mächtigen Besitzer der Bananenplantagen zur Wehr setzt, lebt gefährlich. Ein paar Mutige tun es trotzdem. Dabei hilft ihnen das deutsche Lieferkettengesetz. Von Frank Braßel
Es ist heiß und feucht knapp zwei Autostunden nördlich der Hafenstadt Guayaquil in der Provinz Los Rios. Kilometerlang erstrecken sich die Bananenplantagen, am Himmel ziehen Pestizidflugzeuge ihre Bahn. Es riecht nach Chemie, kein Kraut wächst zwischen den endlosen Stauden. „Megabanana“ heißt die riesige Plantage, die der US-Multi Dole im Bananengürtel von Ecuador betreibt, einem Land, in dem die gelben Früchte beste Bedingungen finden. Bananen brauchen ein feuchtheißes Klima, um optimal gedeihen zu können. Ideal sind 1500 Sonnenstunden und etwa 27 Grad. Genau das bietet Ecuador, das zwischen Peru und Kolumbien am Pazifik liegt. Die natürlichen Voraussetzungen wie auch die Missachtung von Umweltschutz und Arbeitsrechten haben Ecuador zum weltweit wichtigsten Bananenexporteur gemacht.
Aktuell eskaliert die Gewalt in dem Land. Präsident Daniel Noboa hat im Kampf gegen die mächtige Drogenmafia den Notstand ausgerufen und versucht, gegen die kriminellen Gruppen zu kämpfen, die die staatliche Gewalt herausfordern. Für Beschäftigte gehört das Land, das lange als relativ ruhig galt, laut aktuellem Ranking des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) zu den zehn schlimmsten der Welt. Im Herbst 2023 gab es Morddrohungen gegen mehrere führende Köpfe des Gewerkschaftsbundes ASTAC, worauf manche von ihnen mit Unterstützung der EU für einige Zeit ins Ausland gegangen sind. Auf einen der Gewerkschafter, die blieben, wurde zum Jahresende ein Attentat verübt, das scheiterte. Die Verantwortung übernahm die größte Drogenbande Ecuadors, die Choneros – und forderte explizit die Einstellung der Arbeit für die Rechte der Bananenarbeiter. Eine Zusammenarbeit der Narcos mit einflussreichen Wirtschaftsinteressen lässt sich in Ecuador immer wieder beobachten. Vor diesem Hintergrund ist es sehr beunruhigend, dass fünf deutsche Supermarktketten, die mit dem lokalen Unternehmerverband, und koordiniert von der GIZ, ein Projekt zur Verbesserung der Lohnsituation organisieren, nicht den Mut aufbringen, die Drohungen und das Attentat gegen ASTAC öffentlich zu verurteilen.
Der US-Multi Dole will sparen
Megabanana gilt im Bananengürtel als einer der besseren Betriebe. Hier, bei Dole, gibt es eine Betriebsgewerkschaft und einen Betriebsrat. Die Früchte, die auch in deutschen Edeka-Supermärkten verkauft werden, tragen das Panda-Logo des WWF und den grünen Frosch der Rainforest Alliance, die „gemeinsame soziale und ökologische Anstrengungen“ bescheinigen. Doch selbst hier hat es der Gewerkschaftsbund ASTAC, der die Bananenbauern und Landarbeiter vertritt, mit einem Arbeitgeber zu tun, der versucht, die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.
„Seit über einem Jahr erreichen wir keine Übereinkunft zur Erneuerung des Tarifvertrages“, sagt Ruben Caicedo* vom Betriebsrat. Sein richtiger Name und sein Gesicht sollen nicht in einer Zeitung erscheinen, auch nicht weit entfernt in Deutschland, wo die Bananen aus Ecuador oft nur halb so viel kosten wie heimische Äpfel. Caicedo trifft sich mit der Presse lieber in einer benachbarten Kleinstadt unter dem Schatten eines riesigen Mangobaums in einem Park. Fruchtsäfte werden am Straßenrand angeboten, Mopeds fahren hupend vorbei. „Früher wurden wir fünf Prozent über dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlt“, erzählt Caicedo. „Das hat Dole nun auf drei Prozent reduziert und will zukünftig die jährlichen offiziellen Steigerungen davon abziehen.“ Beunruhigend ist auch der Umbau des Personals. „Etwa 100 der älteren Männer und Frauen mit fast 20 Jahren Betriebszugehörigkeit wurden in letzter Zeit entlassen und durch Jüngere ersetzt, die nur befristete Zweijahresverträge erhalten“, erläutert Julio Vanegas*, einer der dienstältesten Betriebsräte. Diese Verträge sollten in der Coronazeit Arbeitsplätze schaffen. Jetzt dienen sie dem Fruchtmulti dazu, Betriebsrenten für Ältere zu vermeiden und befristet Beschäftigt nicht für den Betriebsrat zuzulassen. Dazu kamen Verstöße beim Arbeitsschutz: Pestizide wurden auch hier mit Flugzeugen ausgebracht, während noch Beschäftigte auf der Plantage arbeiteten.
Wenn die Unternehmen sich über diese Beschwerden ärgern, die das deutsche Gesetz zulässt, wer garantiert uns, dass dies nicht unsere Sicherheit zusätzlich gefährdet?“
Beschwerde im fernen Deutschland
Dies alles waren Gründe für die Beschwerde, die ASTAC und die Entwicklungsorganisation Oxfam im November 2023 gegen Edeka im fernen Deutschland beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) einreichten – in der Hoffnung, etwas zu bewegen. Immerhin wurde der Betriebsrat von den Rainforest-Auditoren bei der kurzfristig angesetzten Inspektion nach der Beschwerde angehört. Auch wurde kürzlich die Ausbringung von Pestiziden per Flugzeug vom Management so geregelt, wie es das Gesetz vorschreibt: ohne Beschäftigte im besprühten Teil der Plantage. Der WWF dagegen hat die Gewerkschafter bislang nicht konsultiert.
Eine weitere Beschwerde richtet sich gegen den Lebensmittel-Einzelhändler Rewe wegen diverser Rechtsverletzungen beim ecuadorianischen Unternehmen Otisgraf, einem langjährigen Lieferanten. Vor einem Jahr war hier bezahlter Urlaub ebenso unbekannt wie bezahlte Überstunden. Regelmäßig zogen Flugzeuge über die Plantage und sprühten teils hochgiftige Pestizide auf die Bananen und vielfach auch auf die Menschen. Einige Frauen wurden besonders schlecht behandelt – sie hatten einen Vertrag über 20 Wochenstunden, arbeiteten aber mindestens 40 – also für den halben Lohn.
Jetzt, nach der BAFA-Beschwerde, wird die neue Betriebsgewerkschaft zumindest toleriert, wenn sie auch immer noch nicht vom Arbeitsministerium anerkannt wurde. „Wir sind jetzt stärker geeint“, sagt José Alcivar*, der seit mehreren Jahren für das Unternehmen tätig ist. „Inzwischen werden Überstunden und die Arbeit am Wochenende korrekt bezahlt, die Frauen haben nun Verträge mit der realen Arbeitszeit. Seitdem wir eine Gewerkschaft haben, muss sich das Management zweimal überlegen, wie man mit uns umgeht.“ Regelmäßige Treffen zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung gibt es aber nach wie vor nicht.
Für die Menschen, die sich vor Ort engagieren, sind Beschwerden im Ausland auch ein Risiko: „Es wäre positiv, wenn das Lieferkettengesetz mehr für die Beschäftigten bringt als private Zertifizierungen, die nur Kosmetik sind“, sagt Jorge Acosta, der Koordinator von ASTAC, der als Pestizid-Pilot arbeitete, bis er die Gewerkschaft gründete. „Doch wenn die Unternehmen sich über diese Beschwerden ärgern, die das deutsche Gesetz zulässt, wer garantiert uns, dass dies nicht unsere Sicherheit zusätzlich gefährdet?“
Die Präsidentenfamilie verdient mit
Die Hacienda María Teresa, die nur rund einen Kilometer von Otisgraf entfernt liegt, kennt noch weit schlimmere Zustände als Otisgraf oder Megabanana. Für ein paar Monate war Sofia Manglar*, die auch bei ASTAC organisiert ist, hier beschäftigt, nachdem sie ihren früheren Job verloren hatte. Das Gehalt der Alleinerziehenden mit drei Kindern betrug nur 15 Dollar am Tag, weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn. Und dann wurde Sofia auch hier gekündigt. „Angeblich gab es nicht genug Arbeit“, sagt sie. Ihre Kolleginnen kannten den wahren Grund: „Der Personalchef hatte sie vor dem Kontakt mit mir gewarnt: Ich stünde auf der schwarzen Liste der Gewerkschaftsmitglieder.“ Wer auf María Teresa schuftet, kann sich nicht an deutsche Behörden wenden. Es fehlt die nötige Geschäftsbeziehung. Zum anderen hat María Teresa einen sehr einflussreichen Besitzer: die Familie von Präsident Daniel Noboa, die ihr Milliardenvermögen maßgeblich mit Bananen erwirtschaftet hat.
*Die Namen wurden zum Schutz der betroffenen Personen von der Redaktion geändert.
Unsichere Rechtslage
Rechte nicht garantiert – so lautet die Einstufung des IGB für Ecuador. Im Jahr 2022 ging die Regierung Ecuadors brutal gegen Massenproteste für Demokratie und kollektive Rechte vor, die von Organisationen indigener Völker und Gewerkschaften organisiert wurden. Der sehr restriktive Rechtsrahmen behindert insbesondere die Gründung von Branchengewerkschaften. Die Gewerkschaft der Bananenarbeiter ASTAC hat sich nach Jahren mit unendlich viel Druck dieses Status trotzdem erkämpft. Die notwendige Regulierung unterblieb aber bis heute.
EU-Richtlinie
Rückenwind könnte bald auch aus der EU kommen. Rat, Parlament und Kommission einigten sich im Dezember auf einen Entwurfstext zur EU-Lieferkettenrichtlinie. Er enthält an mehreren Stellen strengere Regelungen als das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG). Dies betrifft den Kreis der betroffenen Unternehmen, die Ausdehnung der Sorgfaltspflichten auf die gesamte Wertschöpfungskette, die Einführung eines neuen zivilrechtlichen Haftungstatbestandes für die Verletzung von Sorgfaltspflichten und eine Erweiterung der Liste der Schutzgüter. Das deutsche Gesetz müsste dann nachgeschärft werden. Der Entwurf muss allerdings noch durch das EU-Parlament und den Rat verabschiedet werden - und schon regt sich Widerstand aus der Wirtschaft und von der FDP. Der Einwand: „zu bürokratisch“.