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Innenaufnahme Kaufhaus Tietz in Elberfeld Magazin Mitbestimmung

Rätselhaftes Fundstück: Kaufhaus Tietz

Ausgabe 01/2024

Beim Neubau seines Kaufhauses in Elberfeld spart Leonhard Tietz an nichts. Mit einer Idee, die aus Frankreich stammt, läutet der jüdische Kaufmann die goldene Ära der Warenkaufhäuser in Deutschland ein. Von Guntram Doelfs

Als die Elberfelder zum ersten Mal im großen Lichthof des neuen Kaufhauses stehen, verschlägt es ihnen die Sprache. Der Konsumpalast, der im Jahr 1912 seine Türen öffnet, präsentiert sich im Inneren wie ein antiker Tempel,  geschmückt mit Skulpturen, Marmormosaiken und Bronzen. Der Konsum wird zur neuen Religion erhoben und im pompösen bürgerlichen Geschmack der Kaiserzeit zelebriert. Der große Lichthof des Kaufhauses gibt den Blick auf die Stockwerke frei, in denen Waren jeder Art angeboten werden. Nur 17 Jahre zuvor hat der jüdische Kaufmann Leonhard Tietz in der damals noch selbstständigen Stadt Elberfeld, die später mit anderen Gemeinden zu Wuppertal vereinigt wird, das erste moderne Kaufhaus eröffnet. Doch der erste Bau ist zu klein geworden. So beauftragt Tietz mit Wilhelm Kreis einen der damals führenden deutschen Architekten mit einem prächtigen Neubau.

Der deutschnational eingestellte Wilhelm Kreis, der unterem anderem Bismarcktürme wie am Fließband baut, beschreibt den Grundgedanken für das 1912 eingeweihte Kaufhaus so: Das Zeitalter der kleinen, einzelnen Betriebe ist vorbei, alles strebt in einen Großbetrieb, der alle möglichen Waren unter einem Dach anbieten soll. In Frankreich sind solche Kaufpaläste schon Mode – sie denken letztlich nur die Idee der großen Gewerbe- und Industrieausstellungen neu und machen aus ihr ein Einkaufserlebnis. Die Tietz-Warenhäuser, die von Toparchitekten wie Wilhelm Kreis oder, in Düsseldorf, von Joseph Maria Olbrich, einem der Stars des Wiener Jugendstils, entworfen werden, leisten einen bedeutenden Beitrag zur modernen Architektur. Riesige Fensterfronten und Glasdächer nutzen gezielt das Tageslicht zur Inszenierung der Ware. Kreis lässt sich zu der Schwärmerei hinreißen, sein Bau in Elberfeld sei das „bestbelichtete Kaufhaus in Deutschland“.

Der Tietz-Dynastie bescheren die Investitionen florierende Geschäfte. Doch spätestens mit der Machtübernahme der Nazis 1933 kündigt sich Unheil an. Tietz’ Sohn Alfred Leonhard, unter dessen Ägide die Leonhard Tietz AG zu einem der großen Kaufhauskonzerne in Deutschland geworden ist, muss sein Kaufhausimperium für einen lächerlich geringen Preis an Banken verkaufen und emigrieren. Das Elberfelder Haus wird „arisiert“ und ein Teil der neu gegründeten Westdeutschen Kaufhof AG. Im Krieg teilweise zerstört, wird es mit einer modernen Fassadenseite wieder aufgebaut und später Teil der Galeria-Kaufhof-Kette. Das denkmalgeschützte Haus gerät nach der Jahrtausendwende in den Strudel der mehrfachen Galeria-Kaufhof-Insolvenzen.

Am 17. Januar 2024 ist das Schicksal für den einstmals berühmten Kaufpalast von Leonhard Tietz besiegelt: Er schließt endgültig seine Pforten.


Rätselfragen

  1. Leonhard Tietz startete seine Karriere in einer Küstenstadt. Wo eröffnete er 1879 sein erstes Geschäft?
  2. Die Familie Tietz wurde nach dem Krieg für den Zwangsverkauf entschädigt. Wie hoch war die gezahlte Summe?
  3. Anfang des Jahres 2024 meldete Galeria Karstadt Kaufhof zum dritten Mal Insolvenz an. Seit 2018 gehört das Unternehmen zur ebenfalls insolventen Signa Holding. Wie heißt der umstrittene langjährige Chef von Signa?

Alle richtigen Einsendungen, die bis zum 15.03.2024 bei uns eingehen, nehmen an einer Auslosung teil.

Preise
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Auflösung der Rätselfragen 6/2023

  • Rosa-Luxemburg-Platz
  • Siegfried Nestriepke
  • Chemnitz

 

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