Quelle: Patrick Pleul/dpa
Magazin MitbestimmungInterview: "Je schwieriger die Verhältnisse, desto enger die Zusammenarbeit"
Kann die grassierende Europaskepsis dem international geprägten Hochschulleben an der Viadrina etwas anhaben? Wir fragten die neue Präsidentin, Julia von Blumenthal. Das Interview führte Gunnar Hinck.
Julia von Blumenthal, die Europawahl steht vor der Tür. Was für eine Bedeutung hat die Wahl für die Viadrina?
Das kann man gut an den vielen Aktionen und Veranstaltungen sehen. Gerade das studentische Engagement ist beeindruckend: Unsere Studierenden holen zum Beispiel den „Wahl-O-Mat on tour“ auf den Uni-Campus, organisieren eine Podiumsdiskussion mit EU-Politikerinnen und -Politikern und machen eine Diskussionsreihe, die sich auch an die Menschen außerhalb der Universität in Frankfurt richtet. Dabei geht es neben der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den EU-Wahlen und der EU darum, die Begeisterung der Viadrina für europäische Fragen in die Breite zu tragen und Menschen dazu zu ermutigen, zur Wahl zu gehen.
Seit Jahren geht die polnische Regierung auf Distanz zur EU und ihren Werten. Hat das Einfluss auf die Beziehungen der Viadrina zum Nachbarland?
Die Beziehungen mit unseren polnischen Partnern auf universitärer Ebene sind eher intensiver geworden: Mit der Gründung der European New School of Digital Studies (ENS) gemeinsam mit der Adam-Mickiewicz-Universität am Collegium Polonicum soll unsere europäische Zusammenarbeit eine neue Dimension erhalten. An der ENS werden sich Forschende und Studierende der interdisziplinären Bearbeitung einer zentralen europäischen Zukunftsfrage widmen: den Herausforderungen und Chancen der digitalen europäischen Gesellschaft. Dabei beschreiten wir in enger deutsch-polnischer Partnerschaft sowohl wissenschaftlich als auch institutionell neue Pfade.
Ist das europaskeptische Klima eine Gefahr für das, was in den vergangenen Jahrzehnten im zusammengewachsenen Hochschuleuropa und an Ihrer Universität erreicht worden ist?
Wir erleben vonseiten unserer europäischen Partneruniversitäten, dass das Interesse an der Zusammenarbeit größer wird. Mein Eindruck ist: Je schwieriger die Verhältnisse auf der größeren politischen Bühne, desto intensiver die Zusammenarbeit auf der universitären Ebene und der Wunsch, die Kooperationsbeziehungen weiterzuführen. Das ist das Verdienst des europäischen Hochschulraums, der grenzüberschreitendes Forschen und Studieren vereinfacht und so viele Kooperationsbeziehungen erst ermöglicht hat.
Gibt es Projekte oder neue Ansätze an Ihrer Universität, mit denen Sie als Präsidentin versuchen, der Europaskepsis etwas entgegenzuhalten – über das „Alltagsgeschäft“ der Viadrina hinaus?
Die Viadrina ist ein Ort der kritischen Reflexion europäischer Themen. Ein Ort, an dem sich junge Menschen intensiv mit Entwicklungen und der Zukunft Europas beschäftigen. Das gehört zu unserem Universitätsalltag an den wissenschaftlichen Einrichtungen, wie dem Institut für Europa-Studien und dem Frankfurter Institut für das Recht der Europäischen Union, in unseren Studiengängen, wie dem interdisziplinären Master of European Studies, in vielzähligen studentischen Initiativen und in Projekten mit unseren lokalen, regionalen und internationalen Partnern. Als ein Ort der offenen europäischen Debatte tragen wir tagtäglich ein Stück zum europäischen Zusammenhalt bei.