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Hans-Jochen Luhmann & Holger Lösch Magazin Mitbestimmung

PRO & CONTRA: Ist eine CO2-Abgabe auf EU-Importe richtig?

Ausgabe 04/2021

JA.

Beim Weg in die nach-fossile Industriegesellschaft will Europa die Führung übernehmen. Die Rahmenkonstellation ist kompliziert: Es treten drei Wirtschaftsblöcke und zugleich zwei sicherheitspolitische Lager gegeneinander an. Innovative Technologie wird „versicherheitlicht“, die sich zuspitzende geopolitische Konfrontation wiederum lädt die Handelsbeziehungen politisch auf.

Vor dem Hintergrund dieser Konstellation hat die EU ihr Herz über die Hürde geworfen und den Grenzausgleich in ihr aktuelles Klimapaket aufgenommen. Bislang bezog sich ihre Klimapolitik auf Anforderungen an die Produktion auf dem eigenen Territorium in Europa. Mit dem Grenzausgleich geht es um Emissionen von Drittstaaten, die Güter nach Europa importieren. Das kann durchaus als souveränitätsverletzend und somit als Fehdehandschuh wahrgenommen werden.

Die EU hat lange gezögert. Dabei war allen Beteiligten klar: Soll es ernstlich um Industriepolitik nach dem Muster des 19. Jahrhunderts gehen, ist dieser Schritt unausweichlich. Auf die Machtprobe muss Europa sich einlassen.

Mit den USA hat Europa eine Bundesgenossenschaft geschlossen. China geht in Opposition. Man kann verstehen, wenn die deutsche Industrie „Fracksausen“ bekommt. Doch durch einen Kotau vor China gewinnt man die Führungsrolle in der post-fossilen Industrie auf keinen Fall.

HANS-JOCHEN LUHMANN ist Senior Expert beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

NEIN.

Der BDI hat diese Grenzsteuer von Anfang an skeptisch betrachtet. Eine solche Abgabe könnte zwar theoretisch den europäischen Markt schützen. Allerdings könnten auch Handelskonflikte drohen, wenn diese Grenzsteuer nicht mit dem Welthandelsrecht im Einklang steht. Die Umsetzung wäre zudem sehr komplex. Wie können etwa die Behörden kontrollieren, ob importierter Stahl mit grünem Strom hergestellt wurde und wie hoch der CO2-Anteil im Produkt ist?

Europäische Unternehmen konkurrieren auch auf den Weltmärkten etwa mit chinesischen Herstellern. Dort hätten sie dann wegen der höheren Erzeugungskosten in Europa trotzdem einen Wettbewerbsnachteil. Es gibt eine weitere Schwierigkeit: Was würden wir beispielsweise mit Produkten von Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Kalifornien machen, der bereits mit der EU vergleichbare Klimaauflagen hat, obgleich die USA insgesamt aber auf der Liste der Staaten stehen, für die eine Grenzsteuer gilt, da es keinen einheitlichen CO2-Preis gibt?

Zentral ist aus unserer Perspektive, dass sich die sehr unterschiedlichen klimapolitischen Ambitionsniveaus der wichtigsten Wettbewerber unter den 20 größten Industrienationen schnell annähern. Das EU-Projekt einer Grenzausgleichssteuer bestätigt ja geradezu, dass die anderen Staaten im Klimaschutz derzeit noch nicht ausreichend mitziehen.

HOLGER LÖSCH ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) e. V.

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