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Magazin Mitbestimmung

: INTERVIEW 'Ein enormer Vorteil könnte verloren gehen'

Ausgabe 10+11/2007

Wie können die Sparkassen den politischen Gegenwind überstehen? Fragen an Reinhard H. Schmidt, Professor für Internationales Bank- und Finanzwesen an der Universität Frankfurt.

Die Fragen stellte MARIO MÜLLER.

Herr Schmidt, wenn Sie einen Blick in die Glaskugel werfen, wie sieht 2017 die hiesige Bankenlandschaft aus?
Die privaten Banken spielen eine deutlich größere Rolle. Es gibt weiter Genossenschaftsbanken und Sparkassen - ein Teil der Sparkassen könnte privatisiert, ein Teil, wie in Frankreich, in Genossenschaften umgewandelt worden sein. Am drastischsten haben sich die Landesbanken verändert.

Weil die sich mit Fehlspekulationen selbst aus dem Markt katapultierten?
Das Hauptproblem der Landesbanken ist, dass einige nicht genau wissen, worin sie ihre eigene Funktion sehen. Einige sind derzeit zu klein, um national und international die Rolle zu spielen, die sie gern spielen würden.

Warum geraten die Landesbanken immer wieder in Schwierigkeiten?
Liegt das an zu viel Einfluss der Politik und zuwenig fachkundiger Kontrolle? Der Einfluss der Politik kann dazu führen, dass die nötige Kontrolle nicht stattfindet. Aber dies hat nicht zwingend mit dem Status als öffentlich-rechtlichem Institut zu tun. Kontrolldefizite kann es auch bei privaten Banken geben, und privates Eigentum schafft sogar stärkere Anreize als öffentliches, zu hohe Risiken einzugehen.

Sind öffentliche Banken nicht mehr zeitgemäß?
Was zeitgemäß ist, hängt immer von politischen Tendenzen ab. Die gehen derzeit mehrheitlich gegen öffentlich-rechtliche Sparkassen. Die EU-Kommission bezieht eine sehr klare Position gegen öffentliche Banken, und bereits vor Jahren forderte der Internationale Währungsfonds vehement, die öffentlich-rechtlichen Institute abzuschaffen.

Mit welchen Argumenten? Vor allem mit ordnungspolitischen: Es gibt, sagen die Gegner öffentlich-rechtlicher Institute, keinen Grund dafür, dass sich der Staat im Bankgeschäft betätigt. Die Versorgung mit Bankdienstleistungen sei auch durch andere Finanzhäuser, genossenschaftliche oder private, gewährleistet.

Welche Folgen hätte es, wenn es bei uns keine öffentlichen Sparkassen mehr gäbe?
Wenn einfach ein Vakuum entstünde, wären massive negative Auswirkungen auf die Kreditversorgung und den Zugang zu Bankdienstleistungen zu befürchten. Aber mit diesem Szenario ist nicht zu rechnen. Andere Banken würden versuchen, in die Marktlücke zu stoßen.

Wäre eine Privatisierung der Sparkassen also halb so schlimm?
Die Effekte wären von Region zu Region unterschiedlich. Wo Sparkassen eine starke Position haben, würden sie erfolgreich privatisiert, anderswo geschlossen. Insgesamt gilt: Die Versorgung der breiten Öffentlichkeit sowie der kleinen und mittleren Unternehmen mit Bankdienstleistungen ist in Ländern, in denen es Sparkassen gibt, besser.

Also müsste, wer für Wettbewerb ist, die Sparkassen erhalten?
Das Wettbewerbsargument ist zweischneidig. Einerseits profitieren die Kunden in Deutschland wegen der Konkurrenz unter den Bankengruppen von vorteilhaften Konditionen.

Andererseits?
Starker Wettbewerb senkt die Profitabilität der Banken. Damit wächst aber der Anreiz, zum Ausgleich höhere Risiken einzugehen. Genau dieser Effekt steckt hinter den aktuellen Problemen auf dem internationalen Kapitalmarkt: Liberalisierung führt zu mehr Wettbewerb, riskanterem Verhalten der Akteure und zu Bankenkrisen mit teilweise massiven negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum. Deutschland blieb bisher von solchen Krisen auch deshalb verschont, weil Sparkassen und Genossenschaften, die zwei Drittel des Markts ausmachen, nicht radikal gewinnorientiert arbeiten.

Haben Sparkassen überhaupt noch eine Chance? Ja, wenn es gelingt, den politischen Gegenwind zu überstehen und die geschäftspolitischen Aufgaben zu lösen. Meines Erachtens ist die Tatsache, dass wir ein starkes Sparkassen-System haben, ein enormer Vorteil für die deutsche Wirtschaft. Es wäre schade, wenn dieser Vorteil verloren ginge.

 

 

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