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Porträtbild von Helene Langbein, Referentin für Arbeitsrecht des Hugo Sinzheimer Instituts Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Interessant ist, was im Haushalt fehlt

Ausgabe 05/2024

Helene Langbein vermisst in der Haushaltseinigung der Ampelregierung und der Wachstumsinitiative einige Versprechen aus dem Koalitionsvertrag.

Ein wichtiges politisches Thema dieses Sommers dürfte die Haushaltsdebatte und -einigung der Ampelkoalition gewesen sein. Die getroffene Einigung, flankiert von der Wachstumsinitiative, gibt Aufschluss darüber, was im letzten Jahr der Ampelregierung vor der Bundestagswahl 2025 aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden soll. Sie enthält einige arbeits- und sozialrechtliche Themen wie verschiedene Ansätze zur Fachkräftegewinnung und erneute Reformansätze zum Bürgergeld. Interessant ist aber auch, was nicht aufgeführt ist.

So sah der Koalitionsvertrag auf dem Gebiet des Individualarbeitsrechts einige Verbesserungen vor. Kettenbefristungen mit Sachgrund sollten begrenzt und ein individuelles Recht auf Homeoffice eingeführt werden. Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung erwähnt die Vorhaben jedoch nicht mehr.

Für das kollektive Arbeitsrecht hatte sich die Ampelregierung im Koalitionsvertrag vorgenommen, Betriebsräte zu stärken. So sollte die Behinderung betrieblicher Mitbestimmung als Offizialdelikt eingestuft sowie Gewerkschaften und Betriebsräten im Betrieb weitere Möglichkeiten der digitalen Arbeit eröffnet werden. Auch zu diesen Vorhaben äußert sich die Wachstumsinitiative nicht. Besonders fatal ist, dass die Regierung bisher nichts unternommen hat, die Möglichkeiten zur Flucht aus der Mitbestimmung zu begrenzen. Vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hätte dies jedoch priorisiert werden müssen, wenn sich das Problem der Mitbestimmungsflucht nicht verschärfen soll.

Auch im Sozialrecht haben einige Projekte der Ampel keine Erwähnung bei der Haushaltsplanung gefunden: So sollten Selbstständige für das Alter besser abgesichert werden, indem auch sie grundsätzlich in der gesetzlichen Rentenkasse versichert werden, jedoch unkompliziert die Möglichkeit haben, freiwillig in ein privates Altersvorsorgesystem zu wechseln. Ohne die Pflichtversicherung bleibt die Verantwortung der Altersvorsorge beim Einzelnen. Da nicht alle Selbstständigen in der Lage sind, adäquat vorzusorgen, landen einige immer noch in der Altersarmut.

Für Rentnerinnen und Rentner soll es künftig attraktiver werden, neben dem Rentenbezug zu arbeiten. Damit will die Regierung den Fachkräftemangel eindämmen und Altersarmut verhindern. Dabei verschleiern diese Anreize jedoch, dass viele alte Menschen arbeiten müssen, um nicht an der Armutsgrenze zu leben – im Zweifel auf Kosten der Gesundheit.

Der Gesundheitsschutz kommt insgesamt bei der Wachstumsinitiative der Bundesregierung zu kurz: Wenn Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei ausgezahlt werden, Arbeitgeber von der gesetzlichen Tageshöchstarbeitszeit abweichen können und die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung neu evaluiert wird, gehen wirtschaftliche Interessen der Gesundheit von Beschäftigten vor.

Es gibt aber auch positive Ansätze in der Wachstumsinitiative. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sollen künftig nur tarifgebundene Unternehmen beachtet werden dürfen. Auch im Bereich der Fachkräfteeinwanderung sind sinnvolle Vorhaben wie vereinfachte Genehmigungsverfahren vorgesehen. Diese Ansätze sind geeignet, bessere Bedingungen für Beschäftigte zu schaffen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Es wäre wünschenswert, den Fokus auf derartige Projekte zu verstärken.


HELENE LANGBEIN arbeitet im Referat Arbeitsrecht des Hugo Sinzheimer Instituts.

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