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Magazin Mitbestimmung

Textdokumentation von CORNELIA GIRNDT: Ich bin Stadtführerin in Breslau

Ausgabe 09/2016

Mein Arbeitsplatz Justyna Kryszkiewicz, 40, hat Bergbau und Geologie studiert, ehe sie nach Deutschland ging, wo sie einige Jahre in Neuss als Arzthelferin arbeitete. Zurück in Wroclaw, dem früheren Breslau, hat sie sich als Reiseleiterin für deutsche und polnische Besucher selbstständig gemacht.

Textdokumentation von CORNELIA GIRNDT

„Mein Arbeitsplatz sind die schönsten Straßen und Plätze Breslaus. Ich erzähle Geschichten über die Giebelhäuser am Ring. Ich erkläre den Besuchern auf der Dominsel den mittelalterlichen Ursprung der Stadt oder lasse sie die Kuppel der 1913 erbauten Jahrhunderthalle bewundern. Seit sechs Jahren bin ich Stadtführerin und habe den Beruf gefunden, den ich liebe. Ich zeige auch Kindern unsere Stadt oder deutsch-polnischen Jugendgruppen. Und es kommen immer noch viele Familien aus Deutschland, die ihre Wurzeln in Breslau haben. Ich helfe ihnen, die Straßen wiederzufinden, wo die Familie vor 1945 wohnte und der Vater zur Schule ging. So eine Erinnerungstour kann emotional sehr bewegend sein.

Breslau ist wieder eine wunderschöne Stadt geworden und nicht zufällig in diesem Jahr europäische Kulturhauptstadt. Allein bis Juli haben uns 1,3 Millionen Menschen besucht. Am liebsten arbeite ich mit kleinen Gruppen, es ist wie ein Spaziergang mit Freunden. Und am liebsten besuche ich mit Ihnen besondere Orte wie den Jüdischen Friedhof. Oder die Stadteile, in denen ganze Straßenzüge aus der Gründerzeit original noch so aussehen wie in den 1950er Jahren. Deshalb hat Steven Spielberg hier seinen letzten Film gedreht.

Mein Mann ist auch Reiseführer und wir haben viel zu tun in diesem Jahr. Manchmal führe ich große Reisegruppen mit bis zu 50 Menschen oder auch zwei, drei am Tag. Und dazu noch die Büroarbeit. Ganz schön anstrengend. Aber es ist ein guter Verdienst und wir sind zufrieden. Ich habe eine Lizenz, andere nicht, denn vor zwei Jahren wurde unser Beruf in Polen dereguliert. Jeder kann jetzt Stadtführungen anbieten. Ich freue mich auf den Winter, dann werde ich mit meinem Mann zusammen auch mal ausspannen und Urlaub machen – wie immer geht es in Richtung Masuren. Aber wir bilden uns auch viel fort. Ich finde: Stadtführer müssen ein Leben lang lernen“.

Fotos: Jacek Gajda

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Website von Justyna Kryszkiewicz

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