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Magazin Mitbestimmung

Gastronomie: Etappensieg im Burger-Krieg

Ausgabe 06/2014

Nach der Trennung von Geschäftsführer Ergün Yildiz verspricht die Fast-Food-Kette Burger King bessere Arbeitsbedingungen. Das ist auch ein Verdienst der Gewerkschaft NGG. Von Andreas Schulten

Essen, 7. Mai 2014, gegen 11 Uhr: In der Fußgängerzone Kettwiger Straße brandet plötzlich tosender Applaus auf, Fahnen wehen, 200 Menschen jubeln leidenschaftlich. Einige schlagen einander triumphiernd in die Hände, andere pfeifen schrill. Das ist kein vorgezogenes Public Viewing der Fußballweltmeisterschaft, sondern nur die Reaktion auf drei kurze Worte: „Naujoks ist raus!“, hat der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff gerade eben ins Mikrofon gerufen. Das elektrisiert die Bürger und Gewerkschafter, die hierher zur DGB-Bühne gekommen sind, um öffentlich über die Arbeitsbedingungen bei der Fast-Food-Kette Burger King zu diskutieren.

Denn „Naujoks ist raus!“ ist eine gute Nachricht in den Ohren jener, die sich hier solidarisieren mit den geschädigten Arbeitnehmern bei Burger King. Seit einem Jahr hat Ergün Yildiz, Geschäftsführer von 91 Filialen, Angestellte drangsaliert und schikaniert, hat Tarifvereinbarungen missachtet, Gehälter nicht bezahlt und Betriebsräte einfach so vor die Tür gesetzt.

Am 6. Mai hat Burger King ihn schließlich vor die Tür gesetzt. Nach der Ausstrahlung von Wallraffs RTL-Reportage am 28. April über die skandalösen hygienischen Zustände in Yildiz’ Restaurants war er nicht mehr haltbar. Helmut Naujoks ist nun nicht mehr Yildiz’ Anwalt, der Naujoks, der im ganzen Land als Betriebsratsfresser bekannt ist.

Mit dem Abtritt der beiden Strippenzieher könnte nun der Weg zu besseren Arbeitsbedingungen bei Burger King endlich frei sein. Dass es dazu gekommen ist, ist auch ein Verdienst der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). „Die Gewerkschaft hat mich und mein Team tatkräftig unterstützt“, sagte Wallraff im Gespräch mit dem Magazin Mitbestimmung nach der Essener Veranstaltung.

Denn in welchen Filialen er suchen musste, um erbärmliche Arbeitsbedingungen und miserable hygienische Zustände aufzustöbern, wusste Wallraff auch von der NGG. „Wir haben immer wieder Unterlagen zur Verfügung gestellt und Kontakte zu den schikanierten Betriebsräten hergestellt“, sagt Guido Zeitler, Leiter des Referats Gastgewerbe bei der NGG. Schon vor einem Jahr, kurz nachdem Yildiz seine Restaurants übernommen hatte, war die Redaktion von RTL mit der Bitte um Unterstützung auf die NGG zugekommen. Das ist nicht ohne Brisanz. Denn nicht nur von Mitgliedern hagelt es oft Kritik, wenn Gewerkschaftskampagnen auf das Image einer Marke Einfluss nehmen und dabei auch Kunden weglaufen. Zudem müssen die Gewerkschaften Arbeitgeberübergriffe auf Betriebsräte skandalisieren, um darauf aufmerksam zu machen. Das jedoch könnte Auswirkungen haben auf die Motivation von Beschäftigten, die gerade dabei sind, einen Betriebsrat zu gründen. Als Gratwanderung bezeichnet NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger diesen Zwiespalt. Doch bei diesem brachialen Konfliktkurs von Burger-King-Geschäftsführer Yildiz gegen Beschäftigte und Betriebsräte war Zurückhaltung nicht angesagt: „Es ist doch klar, dass wir die öffentliche Auseinandersetzung in diesem Fall nicht scheuen“, sagt Michaela Rosenberger.

NGG MACHTE SCHON LÄNGER DRUCK

Die NGG ergriff auch eigenständig die Initiative. Im Oktober vergangenen Jahres startete sie eine Unterschriftensammlung vor verschiedenen Burger-King-Filialen. Mit Erfolg: „Nicht selten sind Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben herausgekommen und haben sich dafür bedankt, dass wir ihnen so deutlich an der Seite stehen und uns für unsere Mitglieder starkmachen“, resümierte Burkhard Siebert, stellvertretender NGG-Vorsitzender nach der Aktion. Fast 4000 Burger-King-Kunden hatten bis Januar ihrem Unmut über den Umgang der Geschäftsleitung mit den Beschäftigten mit ihrer Unterschrift Luft gemacht. Anschließend versuchte die NGG, Yildiz die Liste während eines Gerichtstermins zu übergeben. Doch der hatte sich von einer Anwältin vertreten lassen. Und die verweigerte die Annahme. Yildiz indes hatte mithilfe von Rechtsanwalt Naujoks bis dahin nicht nur mehr als 20 Betriebsräte mit Kündigungen oder Schadenersatzklagen bedroht, sondern auch die NGG verklagt.

Seine Begründung: Funktionäre der NGG führten „willkürlich“ eine „massive Verleumdungskampagne“, durch die „erheblicher Reputationsschaden“ entstanden sei. „Totaler Quatsch“, sagt NGG-Vize Siebert. Man wolle lediglich, dass die Kolleginnen und Kollegen zu fairen Bedingungen ihre Arbeit machen können. Die NGG lasse sich von einer juristischen Attacke nicht davon abbringen, öffentlichen Druck auszuüben.

Bis heute hat die Gewerkschaft für ihre Mitglieder mehr als 320 arbeitsrechtliche Verfahren gegen Yildiz’ Burger King GmbH auf den Weg gebracht – meistens Klagen zur Durchsetzung pünktlicher Lohnzahlungen oder der Zahlung von tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld. „Ein Drittel der Fälle ist bereits abgeschlossen“, sagt Referatsleiter Zeitler. Auch von den selbst angestrengten Prozessen habe Yildiz nicht einen gewonnen. Zeitler überrascht das nicht. Denn darum sei es Yildiz gar nicht gegangen. Klagen und langwierige Gerichtsverfahren sollen besser verdienende oder unbequeme Mitarbeiter dazu bringen, Burger King zu verlassen. „Anschließend werden sie durch billigere Arbeitskräfte ersetzt“, erläutert Zeitler. Für die NGG haben die Prozesse dennoch etwas Gutes. „Andere Arbeitgeber sehen, dass wir solche Konflikte hartnäckig verfolgen“, sagt NGG-Mann Guido Zeitler.

Für die Zukunft sieht er nun gute Chancen auf bessere Arbeitsbedingungen bei Burger King. „Bei denen verändert sich langsam was“, sagt Zeitler. Mittlerweile hat Burger King Deutschland angekündigt, in den 91 ehemaligen Yildiz-Filialen nach NGG-Tarif bezahlen zu wollen. Auch neue Franchisenehmer sollen darum nicht mehr herumkommen. Von den 165 deutschen Franchisenehmern, die rund 700 Filialen betreiben, entlohnen nach Burger-King-Angaben schon jetzt mehr als 80 Prozent ihre Mitarbeiter nach Tarif. Außerdem will das Unternehmen geschädigte Arbeitnehmer rückwirkend entlohnen, die Rausschmisse von Betriebsräten überprüfen und die vielen Prozesse so schnell wie möglich beenden.

Lippenbekenntnisse oder Läuterung? „Burger King kündigt so etwas nicht aus Überzeugung an“, sagt Zeitler. „Solange die Zahlen stimmten, war denen das Vorgehen von Herrn Yildiz egal. Jetzt haben sie gemerkt, dass ihnen die Kunden weglaufen.“ Er sei „vorsichtig optimistisch“. Denn ob auch Yildiz Einsicht zeigt, ist fraglich. Der ist zwar raus aus dem operativen Geschäft, aber wohl noch immer Eigentümer von 91 Filialen. 

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