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Mit Beginn der Industrialisierung kämpften auch Frauen für ihre Rechte als Arbeiterinnen. Sie hatten es oft schwerer als Männer. Magazin Mitbestimmung

Geschichte: Es gibt keinen Grund für die Rechtlosigkeit der Frauen

Ausgabe 01/2020

Mit Beginn der Industrialisierung kämpften auch Frauen für ihre Rechte als Arbeiterinnen. Sie hatten es oft schwerer als Männer. Von Fabienne Melzer

Das preußische Vereinsgesetz verbot Frauen bis 1908, sich auf politischen Versammlungen oder in politischen Vereinen zu engagieren. Was als politisch galt, entschieden Polizeibehörden. Männer sahen in Frauen häufig Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Viele gewerkschaftliche Vereine schlossen die Mitgliedschaft von Frauen aus. Manche Schwierigkeiten, mit der Frauen zu kämpfen hatten, kommen immer noch bekannt vor, wie ein Zitat von Toni Sender, Reichstagsabgeordnete bis zu ihrer Flucht 1933 und Chefredakteurin der Betriebsrätezeitung des Metallarbeiterverbands, zeigt: „Eine Frau muss mehr Tüchtigkeit beweisen als ein Mann, um als ebenbürtig anerkannt zu werden.“

Die Hans-Böckler-Stiftung hat mehrere Projekte gefördert, die an starke Frauen erinnern, unter anderem die Arbeit von Uwe Fuhrmann von der Universität Leipzig über Paula Thiede, die weltweit erste Gewerkschaftsvorsitzende. 1870 in eine Berliner Arbeiterfamilie geboren, fängt Paula Thiede mit 14 als Anlegerin im Buchdruck an. Nach persönlichen Schicksalsschlägen beginnt sie mit gerade 22 Jahren und als alleinerziehende Mutter einer dreijährigen Tochter, für bessere Arbeitsbedingungen an den Buchpressen zu kämpfen. 1896 erstreiken die Hilfsarbeiterinnen Druckerei für Druckerei bemerkenswerte Lohnsteigerungen. 1898 gründet sich der Verband der Buchdruckereihilfsarbeiter und -arbeiterinnen Deutschlands. Paula Thiede wird Vorsitzende. 

Paula Thiede stand für eine Gruppe, die in der damaligen Zeit gleich mehrfach benachteiligt war. Fiel es Hilfsarbeitern schon schwer, eine Interessenvertretung aufzubauen, so galt dies für Hilfsarbeiterinnen in der männerdominierten Gewerkschaftsbewegung noch viel mehr. 

Paula Thiede setzte sich nicht nur für bessere Arbeitsbedingungen ein, sie kämpfte auch für die Rechte der Frauen insgesamt. 1911 rief sie in der Verbandszeitschrift zum ersten Internationalen Frauentag auf und forderte das Wahlrecht für Frauen. Die Gewerkschaftsvorsitzende sah keinen Grund für die Rechtlosigkeit der Frauen: „Keinen außer der Ausrede, dass die Frauen seit je rechtlos gewesen sind.“ 

Eine andere Streiterin für die Rechte der Arbeiterinnen in dieser Zeit ist Ida Altmann. Ihre Lebensgeschichte hat Gisela Losseff-Tillmanns erforscht. In den 1890er Jahren engagiert sich Ida Altmann für den Aufbau einer Frauenbewegung. Um Frauen in den männerdominierten Gewerkschaften mehr Gehör und Schlagkraft zu verschaffen, entsteht die Idee einer eigenen Vertretung innerhalb der gemischten Organisationen. Gegen Widerstände setzt Ida Altmann gemeinsam mit Emma Ihrer ein Arbeiterinnensekretariat bei der Generalkommission der Gewerkschaften durch. Kongressbeschlüsse sollen endlich gelebt werden. Ida Altmann wird 1905 die erste hauptamtliche Gewerkschaftssekretärin. Wie viele andere Frauen, die sich Ende des 19. Jahrhunderts politisch engagieren, sieht sie sich immer wieder staatlichen Repressionen ausgesetzt. 1895 kommt sie erstmals in Haft. 

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sind Frauen in der Gewerkschaft, vor allem an den Spitzen, weiter rar. Eine der wenigen ist Maria Weber, die im vergangenen Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. 1972 wird sie als erste Frau zur Stellvertretenden DGB-Vorsitzenden gewählt. Der Historiker Stefan Remeke beschreibt Maria Weber als in bildungs- und frauenpolitischen Fragen ihrer Zeit weit voraus. 

In den 1970er Jahren setzt sie sich für die Gesamtschule mit Ganztagsbetreuung ein. „Das ist Klassenkampf von oben, der sich des dreigliedrigen Schulsystems bedient, um auszulesen, um Eliten zu schaffen, um abzuschotten und damit traditionelle Machtstrukturen als mehr oder weniger geschlossene Gesellschaft zu erhalten“, hält sie Kritikern einer Schule für alle entgegen. 1971 gelingt ihr, die partnerschaftliche Familie als Leitbild der Familienpolitik ihrer Partei, der CDU, zumindest im Programm zu verankern. Für den Historiker Stefan Remeke zeichnete Maria Weber vor allem ein eigener Kopf aus: „Unabhängigkeit bedeutete für sie nicht, unpolitisch zu werden, sondern im Gegenteil, mit allen politischen Mitteln für die Ziele der Gewerkschaften zu kämpfen und sich Gegnern, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, in den Weg zu stellen.“

Fuhrmann, Uwe: „Frau Berlin“ – Paula Thiede (1870-1919): Vom Arbeiterkind zur Gewerkschaftsvorsitzenden, Konstanz/München, 160 Seiten. 2019

Losseff-Tillmanns, Gisela: Ida Altmann-Bronn. Lebensgeschichte einer sozialdemokratischen, freidenkerischen Gewerkschafterin. Eine Spurensuche. Reihe Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung, Geschichte der Arbeitswelt, Bd. 182. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2015

Remeke, Stefan: Anders links sein. Auf den Spuren von Maria Weber und Gerd Muhr. Essen, Klartext Verlag 2012

Dieter Schneider (Hrsg.): Sie waren die ersten. Frauen in der Arbeiterbewegung. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, 1988

  • Mit Beginn der Industrialisierung kämpften auch Frauen für ihre Rechte als Arbeiterinnen. Sie hatten es oft schwerer als Männer.
    Ihrer Zeit voraus: Paula Thiede (Foto: ver.di-Archiv)

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