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Thomas Kirst, Christian Leiter und Frank Schaefer (v.l.) vom Personal­rat der BVG-Omnibus-Technik. Auch für sie ist die Transformation eine Gratwanderung. Magazin Mitbestimmung

Transformation: „Endlich fragt uns mal einer“

Ausgabe 04/2022

Der ökologische Umbau wird nur gelingen, wenn die Beschäftigten mitwirken. Eine Ortsbesichtigung bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Von Andreas Molitor

Auf der Suche nach einer ordentlichen Portion Zuversicht gräbt Personalrat Frank Schaefer tief in seinen Erinnerungen. „Wir sind hier ein Ossi-Betriebshof“, sagt er. „Im Improvisieren waren wir schon immer gut. Das mit der Umstellung auf Elektro­antrieb kriegen wir auch hin.“

„Hinkriegen“ – so nennt es der Personalrat des Bereichs Omnibus-Technik auf dem Betriebshof der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in der Indira-Gandhi-Straße, tief im Osten der Hauptstadt. Doch mit dem von der Politik verordneten Programm der ökologischen Transformation kommt allein auf die 4800 Beschäftigten der BVG-Busflotte derart viel zu, dass es allein mit DDR-gestähltem Improvisationstalent nicht getan ist. Bis 2030 soll der gesamte Busverkehr auf Elektroantrieb umgestellt werden. Zwischen 1600 und 1800 Stromer sollen dann emissionsfrei durch Berlin fahren. Derzeit werden lediglich 138 Busse des 1547 Fahrzeuge  starken Busfuhrparks per Batterie angetrieben. Die nächsten 90 E-Busse treffen in Kürze ein.

Die Personalräte der Omnibus-Technik der BVG sind zentrale Akteure eines Projekts des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung, das die Rolle der Mitbestimmung in der sozialökologischen Transformation am Beispiel von vier Mobilitätsunternehmen untersucht und stärkt. Orchestriert wird das Projekt von der Beratungsgesellschaft Evoco. „Die Transformation kann nur mit den Beschäftigten und den Mitbestimmungsakteuren gelingen“, ist Geschäftsführer Klaus-Stephan Otto überzeugt.  „Wird nur top-down entschieden und stellt man die Beschäftigten vor vollendete Tatsachen“, sei das Risiko groß, „dass Projekte scheitern oder sich viel länger hinziehen.“

Das gilt nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi, die das Transformationsprojekt von Anfang an unterstützt hat, auch für die Elektrifizierung der Busflotte.  „Bislang waren Belegschaft und Personalräte nicht ausreichend in den Prozess einbezogen“, urteilt Mirko Köpke, Verdi-Vertrauensleutesprecher der BVG. „Aber jetzt haben wir einen intensiven Dialog in Gang gebracht, damit die Ideen, aber auch die Sorgen und Ängste der Beschäftigten nicht unter den Tisch fallen.“

Auch bei der BVG wurde in puncto Transformation anfangs klassisch entschieden. Die Umstellung der Busflotte auf Elektrobetrieb war eine Entscheidung des Berliner Senats, die das BVG-Management umsetzen soll. Die Meinung der Beschäftigten war nicht gefragt. Auf den Betriebshöfen war die Stimmung entsprechend mies. Bei Interviews schlug den Evoco-Beratern der geballte Unmut entgegen: „Das ist doch Mist“, war der Tenor vieler, „uns fragt mal wieder keiner.“ Elektro statt Diesel – „Was soll das? Unsere Dieselbusse sind doch kostengünstig und zuverlässig.“ Die Stimmung sei „sehr schwierig“, sagte ein Manager sorgenvoll zu Otto. „Einige Leute glauben, wir kriegen jetzt hier ’ne Öko-Diktatur.“

Die Elektrifizierung des Fahrzeugparks ist nicht nur ein finanzieller Kraftakt. Auf den sechs Betriebshöfen, wo die Busse geparkt, betankt oder aufgeladen, gewartet und repariert werden, sind aufwendige Umbauten fällig. Der Betriebshof an der Indira-Gandhi-Straße wurde vor zwei Jahren bei laufendem Betrieb als erster auf E-Mobilität umgestellt. Durch die vielen Baustellen war es schwierig, die langen Gelenkbusse zu wenden, abends gab es zu wenig Parkplätze. Nach wie vor mangelt es an Platz für die Reparatur von E-Bussen; die dafür vorgesehene Halle soll in Kürze endlich fertig werden. Und vieles weiß man noch nicht. Was ist zum Beispiel, wenn die E-Busse häufiger als geplant in der Werkstatt stehen? Oder wenn die Batteriekapazität im Alltagsbetrieb nicht hält, was der Hersteller verspricht?

Auch der Personalmix in den Werkstätten steht zur Diskussion. Derzeit ist geplant, die Zahl der auszubildenden Kfz-Mechatroniker zu verdoppeln. „Macht das noch Sinn?“, fragt sich Thomas Kirst, der Personalratsvorsitzende der Bustechnik. „Braucht man nicht stattdessen mehr Leute, die mit Hochvolttechnik umgehen können – auch in der Ausbildung?“ Seitdem der Personalrat gegenüber der Ausbildungsleitung das Problem angesprochen hat, „haben sie es auf dem Schirm“.

Evoco hat Dutzende Interviews und etliche Workshops mit den Beschäftigten auf den Betriebshöfen, den Personalräten, den Verdi-Vertrauensleuten und Unternehmensvertretern erlebt. Immer wieder hörten die Berater anschließend: „Das war ’ne richtig tolle Diskussion. Endlich fragt uns mal einer, was uns wichtig ist.“ Die Leute in den Werkstätten „machen sich sehr viele Gedanken“, erzählt Otto. Über die Reichweite der Busse. Über die hohen Anschaffungskosten. Wo die Rohstoffe für die Batterien herkommen, ob da vielleicht Kinderarbeit im Spiel ist. „Wir sind doch gar nicht gegen die Umstellung auf Elektroantrieb“, sei der Tenor vieler Diskussionen, „aber wir sind frustriert, dass unsere Meinung bisher so wenig gezählt hat.“

Sorgen um ihre Jobs müssen sich die Beschäftigten nicht machen. Es gilt die Zusage des Unternehmens, dass durch die Transformation niemand arbeitslos wird. Trotzdem bleiben Irritationen. „Es kursiert das Gerücht, dass wir 2030 in den Werkstätten etwa 70 Leute weniger haben werden“, erklärt Thomas Kirst. Nur zu sagen: „Keiner wird entlassen“, reiche nicht aus. „Die Leute fragen sich, was aus ihrer Arbeit wird, wenn nur noch E-Busse verkehren.“ Werden sie noch als Schlosser oder Mechatroniker arbeiten? Oder sind sie nur noch gut genug für Hilfsarbeiten, die dann auch schlechter bezahlt werden? Bislang gab es niemanden, der diese Fragen beantwortet. Ein Versäumnis des Managements, meint Lothar Stephan, der Gesamtpersonalratsvorsitzende. „Die Information zu den Beschäftigten durchzustellen ist ganz klar eine Aufgabe des Unternehmens“, grummelt er, „und zwar ohne Wenn und Aber.“

Das Projekt der Hans-Böckler-Stiftung hat hier einiges bewegt. „Wir müssen die Information besser und zeitnäher zu den Beschäftigten bringen“, räumt Daniel Hesse ein, als Leiter der Vorstandsabteilung Technologie und Innovation das verbindende Scharnier zwischen Vorstand und Personalrat. „Da gab es Defizite, da müssen wir ran.“ Die ersten weißen Flecken in der Kommunikation wurden getilgt. Unternehmensführung, Personalrat und Evoco arbeiten gemeinsam an einem Konzept, das alle 4800 Beschäftigten im Busbereich stärker in den Transformationsprozess einbezieht.

Die Personalräte wiederum ergreifen jetzt viel häufiger selbst die Initiative. So haben sie sich vehement für einen Transformationsworkshop der Verdi-Vertrauensleute starkgemacht, der im September stattfinden wird. Fragen der Kolleginnen und Kollegen gibt es genug – nun werden die Vertrauensleute auch besser Antwort geben können. Ebenfalls im Spätsommer wird eine kleine Wanderausstellung auf die Reise zu den Betriebshöfen gehen und den Beschäftigten in den Pausenräumen das Thema E-Mobilität bei der BVG näherbringen – eine Idee des Personalrats.

Personalräte sitzen mit am Tisch

Für die Personalvertreter ist das stärkere Engagement in Sachen Transformation allerdings auch eine Gratwanderung. „Sie gehen damit ein gewisses Risiko ein, in einen Konflikt mit den Skeptikern unter der Belegschaft zu geraten“, urteilt Klaus-Stephan Otto. „Da könnte es dann heißen: ‚Wir waren uns doch einig, dass das alles Unfug ist – und jetzt macht ihr mit.‘“

Die bisherigen Erfahrungen haben klargemacht, dass die Beteiligung der Beschäftigten an der Transformation nicht bei den Buswerkstätten haltmachen wird. Die Zahl der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr muss bis 2030 bundesweit ungefähr verdoppelt werden, anders dürften die von der Politik gesetzten Klimaziele nicht zu erreichen sein. Damit steht die gesamte BVG vor einem tiefgreifenden Umbau. Ein erster Entwurf einer „Vision 2030+“ für das Unternehmen und seine mehr als 15 000 Beschäftigten ist in Arbeit. Bei den Beratungen sitzen auch die Personalräte mit am Tisch. „Dann können wir sehen, wo wir inhaltlich schon bei­einander sind oder ob wir von der Unternehmensseite möglicherweise Fragen nicht ausreichend beachtet ­haben, die den Beschäftigten wichtig sind“, sagt Daniel Hesse. Und der Evoco-Geschäftsführer Klaus-Stephan Otto zieht eine erste Bilanz: „Gemessen an der Ausgangssituation ist viel passiert. Jetzt kommt es darauf an, nicht nachzulassen.“

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