Quelle: HBS
Magazin MitbestimmungInterview: „Eine völlig überraschende Entscheidung“
Ivo Gönner (SPD), Oberbürgermeister von Ulm, über Nokias sprunghafte Geschäftspolitik, die Folgen für die Stadt und was die Politik jetzt noch tun kann.
Herr Oberbürgermeister, glauben Sie, die Schließung des Forschungszentrums in Ihrer Stadt wird Nokias Probleme lösen?
Nokia hat den Anschluss an die Wettbewerber verpasst. In dieser Situation eine Forschungs- und Entwicklungseinrichtung zu schließen, die erfolgreichere Produkte ermöglichen kann, ist für mich unerklärlich. Die Begründungen, die ich aus Telefonaten mit der Geschäftsleitung und den Medien erfahren habe, sind für mich nicht nachvollziehbar. Ich halte die Entscheidung für falsch.
Kurz vor der Entscheidung stellte Nokia sogar noch Leute ein. Was ist passiert?
Die Entscheidung kam für mich, die Arbeitnehmer und die Öffentlichkeit völlig überraschend. Sie ist ein Beleg für eine sprunghafte Geschäftspolitik und die Entscheidung einer fernab agierenden Konzernleitung, die kurzfristig auf die Entwicklung des Aktienkurses reagiert hat. Unternehmen haben offensichtlich keine Geduld mehr. Es wird mit Arbeitsplätzen jongliert – das ist eine ungute Entwicklung. Als Politiker muss man aber mit solchen Entscheidungen immer rechnen – ich vermute, in Zukunft sogar noch häufiger.
Was bedeutet der Verlust für die Stadt?
Der Nokia-Standort war in den 18 Jahren seines Bestehens ein wichtiger Baustein unserer Wissenschaftsstadt. Die Schließung ist ein schwerer Schlag, aber für den Wirtschaftsraum Ulm auch verkraftbar. Es wird immer wieder vorkommen, dass Unternehmen verschwinden, aber es tauchen auch neue Namen auf. Das ist ein Stück weit Normalität. Aber noch ist unklar, wie die Schließung in so kurzer Zeit vonstattengehen soll.
Was kann die Politik jetzt noch tun?
Nokia muss erklären, was die angekündigte Unterstützung der Konzernleitung bedeutet. Wird es Angebote auf Weiterbeschäftigung geben? Wenn ja, an welchen Standorten, für welche und wie viele Beschäftigte wird das interessant sein? Dann muss geprüft werden, ob Beschäftigte bei anderen Firmen unterkommen können. Die Chancen sind so schlecht nicht. Die Wirtschaftslage ist gut, der Arbeitsmarkt fast leer gefegt. Meine Aufgabe sehe ich darin, auf Kompromisse hinzuwirken. Wichtigstes Ziel ist es, für die Mitarbeiter von Nokia verträgliche Lösungen zu finden.
Die Fragen stellte Ingmar Höhmann.