zurück
Der DGB und das WSI hatten am 17. Oktober zur Verteilungskonferenz nach Berlin geladen. Auf dem Podium diskutierten Vertreter der politischen Parteien. Magazin Mitbestimmung

Vermögen: Eine Frage der Gerechtigkeit

Ausgabe 06/2019

Steuern können ein guter Hebel sein, um Reichtum gerechter zu verteilen. Warum das in Deutschland nicht funktioniert, erklärte Einkommensmillionär Josef Rick auf der Verteilungskonferenz von DGB und WSI. Von Gunnar Hinck

Josef Rick hat etwas Passendes zur Verteilungskonferenz mitgebracht: seinen Einkommensteuerbescheid von 1994. „Damals habe ich 1,2 Millionen Mark verdient, aber weil mein zu versteuerndes Einkommen schließlich bei minus 130.000 Mark lag, bekam ich am Ende des Jahres sogar noch 65.000 Mark vom Finanzamt zurück“, erklärt der Düsseldorfer Immobilienunternehmer den erstaunten Zuhörern das segensreiche Wirken seines Steuerberaters.

Als Einkommensmillionär keine Steuern zahlen und sogar noch Geld vom Fiskus einstreichen – Rick wurde bei dem Gedanken mit den Jahren zusehends unwohl. „Was machst du da eigentlich, hab ich mich gefragt.“ Er erzählt von Immobilienverkäufen, bei denen der Profit in Millionenhöhe – legalen Steuerschlupflöchern sei Dank – nicht versteuert werden muss. Und, an die Zuhörer gerichtet: „Wie viele Geschichten dieser Sorte soll ich Ihnen noch erzählen? Wollen wir so etwas? Und warum bietet der Staat das an?“

 Ricks Erzählungen aus der bunten Welt der Steuervermeidung passten ideal zum Motto der Verteilungskonferenz, zu der das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung und der DGB im Oktober nach Berlin eingeladen hatten: „Gerechter ist besser!? Aktuelle verteilungspolitische Herausforderungen“.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die wohlhabendsten zehn Prozent der Bevölkerung verfügen über fast zwei Drittel des Vermögens in Deutschland. Allein dem obersten Prozent gehören 30 Prozent. Gleichzeitig haben 30 Prozent der Erwachsenen praktisch kein Vermögen oder sind verschuldet – so der aktuelle Verteilungsbericht des DGB. 

Mietsteigerungen als Form des Lohnraubs

Unter den geladenen Vertretern der Politik kristallisierten sich zwei Argumentationslinien heraus. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck, Linken-Chefin Katja Kipping und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderten, die Vermögens- und Einkommensverteilung zu einem zentralen Thema zu machen. „Wir brauchen bessere Löhne und mehr Tarifbindung“, sagte Klingbeil. „Es kann nicht sein, dass sich die Arbeitnehmer anstrengen, aber mit der Vermögensbildung nicht vorankommen.“ Kipping wies auf die rasant steigenden Mieten hin, „eine besonders krasse Form des Lohnraubs“. FDP-Chef Christian Lindner dagegen lehnte mehr Umverteilung durch Steuern ab. Hermann Gröhe, CDU/CSU-Fraktionsvize im Bundestag, betonte die Rolle der beruflichen Bildung als Schlüssel für weniger Ungleichheit.

Was sagt die Armutsquote aus?

Das Streitgespräch zwischen Michael Hüther, dem Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, und dem Würzburger Ökonomen Peter Bofinger machte deutlich, wie unterschiedlich Daten gedeutet werden können. Während Bofinger darauf verwies, dass die Ungleichheit seit 2005 trotz Halbierung der Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau verharre, relativierte Hüther die Armutsquote als Maßstab: Weil die Quote ein relativer Wert sei, sage sie wenig über tatsächliche Armut aus.

Im Diskussionsforum zu Steuern zeigte Katja Rietzler, Steuerexpertin des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung, dass die derzeitig ausgestaltete Erbschaftsteuer die Vermögenden bevorzugt. „Bei Erbschaften über 20 Millionen Euro liegt der effektive Steuersatz bei nur sechs Prozent“, sagte sie. Rietzler schlug vor, die Vermögensteuer wieder einzuführen, denn eine reformierte Erbschaftsteuer lohne derzeit fiskalisch nicht: „Die Vermögenden haben vor der letzten Erbschaftsteuerreform ihre Schäfchen über Schenkungen ins Trockene gebracht.“

Zitate

„Wir brauchen mehr Umverteilung von oben nach unten durch einen höheren Spitzensteuersatz, eine progressive Vermögensteuer und die stärkere Besteuerung von großen Erbschaften.“ Dorothee Spannagel, WSI

„Eine radikale Lösung, die Lohnungleichheit zu bekämpfen, wäre die Allgemeinverbindlichkeit von allen Tarifverträgen.“ Peter Bofinger, Universität Würzburg

„Wenn die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen funktionieren soll, dann müssen wir auch den Betrieben Spielräume lassen.“ Michael Hüther, IW

„Wir müssen das private Wohneigentum für kleine und mittlere Einkommen stärken.“ Christian Lindner, FDP-Vorsitzender

„Ich habe darauf gewartet, dass Herr Lindner sagt: Wer sich keine Miete mehr leisten kann, soll sich ein Haus kaufen. Wo sind wir denn?“ Stefan Körzell, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DGB

„Mein Sohn ist Assistenzarzt. Er zahlt prozentual ein Mehrfaches an Steuern als ich. Wollen wir so etwas?“ Josef Rick, Einkommensmillionär und Immobilienunternehmer

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen