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Michael Akinlaton ist Betriebsratsvorsitzender bei DHL Delivery in Kassel. Für den gebürtigen Nigerianer sind Arbeitnehmerrechte alles andere als selbstverständlich. Magazin Mitbestimmung

Betriebsrat: Ein Fan von Gerechtigkeit

Ausgabe 01/2019

Michael Akinlaton ist Betriebsratsvorsitzender bei DHL Delivery in Kassel. Für den gebürtigen Nigerianer sind Arbeitnehmerrechte alles andere als selbstverständlich. Von Joachim F. Tornau

Wer bei Betriebsratsarbeit zuallererst an Mühsal denkt, wer das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) für sperrig und unvollkommen hält, der sollte sich einmal mit Michael Akinlaton unterhalten. Gerade hat der 51-Jährige noch Paragrafen zitiert, da fegt er beim Gestikulieren versehentlich sein volles Wasserglas vom Tisch. „Ich bin schon wieder in meinem Element“, sagt er und lacht.

Wenn es um Arbeitnehmerrechte geht, redet sich der Betriebsratsvorsitzende von DHL Delivery in Kassel schnell in eine ansteckende Begeisterung. Als er kürzlich beim Deutschen BetriebsräteTag in Bonn auftrat, um ein für den Betriebsräte-Preis nominiertes Projekt seines Gremiums vorzustellen, wurde ihm im Stehen applaudiert. „Dabei habe ich nur gesagt, was normal ist“, erklärt er. Wie großartig und überhaupt nicht selbstverständlich es sei, dass es das Betriebsverfassungsgesetz gibt. „Wo ich herkomme, gibt es so etwas nicht“, sagt er. „Da wäre ich vielleicht schon erschossen worden, wenn ich tun würde, was ich in Deutschland tun kann.“

Michael Akinlaton stammt aus Nigeria. Vor fast 25 Jahren kam er nach Deutschland, eigentlich, um Theologie zu studieren. Daraus wurde dann zwar nichts, doch der junge Mann aus Westafrika lernte hier seine Frau kennen, wurde Vater und blieb. Er schlug sich durch mit wechselnden Jobs, prekären zumeist, auch in England und Irland, engagierte sich kirchlich und sozial. „Ich bin empfindlich gegen Ungerechtigkeit“, sagt er. Und so war es auch das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, das ihn vor drei Jahren dazu bewegte, sich zum ersten Mal in seinem Leben mit Betriebsratsarbeit zu beschäftigen.

„Der Betriebsrat ist mein Baby“

Fast zwei Jahre schon hatte er mit Kettenbefristungen als Zusteller für die Deutsche Post gearbeitet, da verzögerte das Unternehmen seine anstehende unbefristete Übernahme, indem es ihn erst einmal als Krankheitsvertretung einsetzte. Kurz darauf bekam er dann die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder könne er in die gerade gegründete Billigtochter DHL Delivery wechseln, für noch weniger Lohn, oder er werde entlassen. „Ich war enttäuscht, ich war wütend, aber ich habe es gemacht.“ Kampflos jedoch wollte er nicht aufgeben. Wild entschlossen, gegen das Unternehmen vor Gericht zu ziehen, ging er zum Post-Betriebsrat und zu ver.di. Und erfuhr: Es war leider alles rechtens. Aber ob er nicht Bock habe, bei DHL Delivery in Kassel einen Betriebsrat zu gründen? Michael Akinlaton hatte.

Er wurde Wahlvorstand, trommelte Kandidaten zusammen – und bei der Wahl gaben fast alle der rund 170 Beschäftigten ihre Stimme ab. „Der Betriebsrat ist mein Baby“, sagt Akinlaton. Nur drei Tage, nachdem sich die Arbeitnehmervertretung mit ihm als Vorsitzendem konstituiert hatte, schrieb er die Geschäftsführung an und forderte sie auf, die Mitbestimmung bei Dienstplänen und Überstunden zu wahren.

„Ich habe zum Arbeitgeber gesagt: Wir leben in einem Rechtsstaat, wir haben beide Rechte und Pflichten“, erzählt Akinlaton. „Am Anfang haben sie mich unterschätzt, weil ich nicht hier geboren bin und mein Deutsch nicht so gut war.“ Heute tun sie das nicht mehr. Sie haben gemerkt: Dieser Mann, der immer noch Pakete ausfährt, weiß genau, wovon er spricht. Und er lässt sich nicht einschüchtern. Michael Akinlaton glaubt an das Recht und an den Schutz, den es ihm gibt.

Unterstützt und geschult von seiner Gewerkschaft ver.di, wurde er in kürzester Zeit nicht nur Fan des Betriebsverfassungsgesetzes, sondern auch Kenner. Jetzt gehört er auch dem Konzernbetriebsrat der Post an und ist ehrenamtlicher Vizevorsitzender des ver.di-Fachbereichs Postdienste, Speditionen und Logistik in Nordhessen.

Neue Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit

Unter seiner Führung ging der neue Betriebsrat erfolgreich gegen Kündigungen vor, erwirkte einstweilige Anordnungen gegen eigenmächtige Dienstplanänderungen des Arbeitgebers und klagte gegen die Pläne der Post, die Beschäftigten des Mutterunternehmens und der Billigtöchter unter dem Dach eines Gemeinschaftsbetriebs zusammenzuführen – bei weiterhin unterschiedlicher Bezahlung. Das Unternehmen habe den Wirtschaftsausschuss des Betriebsrats nicht wie vorgeschrieben vorab informiert, sagt Akinlaton, das habe man moniert. Und Recht bekommen.

Bevor die Arbeitnehmervertretung gewählt wurde, hatte das Unternehmen eine Betriebsordnung in Kraft gesetzt, die im Kern darauf hinauslief: Was im Dienstplan steht, spielt keine Rolle. Es musste gearbeitet werden, bis alle Pakete ausgeliefert waren. Wer zu früh fertig war, bekam Minusstunden abgezogen. Wer länger brauchte, musste Überstunden anhäufen. Unbezahlt. „Malochen, bis der Krankenwagen kommt“, sagt Akinlaton. „Damit ist es jetzt vorbei.“ In zähen Verhandlungen vor der Einigungsstelle erkämpfte der Betriebsrat eine Regelung, die das rechtswidrige Arbeiten nach Bedarf beendete. Minusstunden gibt es nicht mehr. Jede Mehrarbeit, die über 45 Minuten pro Tag hinausgeht, muss vom Betriebsrat genehmigt werden. Und sobald 40 Überstunden auf dem Konto stehen, ist Schluss. Dann muss ausgezahlt oder abgefeiert werden.

„Das schmeckt dem Arbeitgeber nicht“, sagt der Betriebsratsvorsitzende. „Aber wir haben nichts gemacht, was nicht im Gesetz steht.“ Das Gesetz: Immer wieder nimmt Michael Akinlaton Bezug darauf, fast ehrfürchtig. Mitbestimmung bedeutet für ihn nicht weniger, als Recht und Ordnung verteidigen zu können, für Wahrheit und Menschlichkeit zu streiten, so sagt er es. Große Worte, doch aus seinem Mund klingen sie nicht pathetisch. Sie drücken die Bewunderung eines Mannes aus, für den es auch nach drei Jahren in der Arbeitnehmervertretung immer noch etwas Besonderes ist, dass Rechtsstaat und Demokratie nicht am Werkstor enden.

  • Betriebsrat Michael Akinlaton: "In Nigeria wäre ich vielleicht schon er­ schossen worden, wenn ich tun würde, was ich in Deutschland tun kann." (Bild: Uwe Zucchi)

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