Quelle: HBS
Magazin Mitbestimmung: Editorial
Schutz und Kalkulierbarkeit
Von Cornelia Girndt
Cornelia-Girndt@boeckler.de
Kündigungen: Wir reden darüber, wir stellen gesetzliche Reformideen vor, wir berichten von aktuellen Kündigungswellen. Kündigungsschutz ist zu Recht ein heißes Thema, denn Arbeitsplätze sind Existenzgrundlagen. Das sollten jene Politiker beherzigen, die leichthin die Phrase vom Kündigungsschutz, der flexibilisiert werden müsse, vor sich hertragen. Da möchten wir doch vor Symbolreformen warnen und vor Schnellschüssen.
Die BDA-Arbeitgeber haben Gesprächsblockaden geradewegs provoziert, indem sie einen Reformkatalog vorlegten, der eine kuriose Mischung ist aus ernst zu nehmenden Klagen über mangelnde Rechtssicherheit und einem Gruselkatalog: Demnach soll die "Probezeit" für unbefristete Arbeitsverhältnisse von sechs Monaten auf 36 Monate ausgedehnt werden, und wenn ein Unternehmer vor dem Arbeitsgericht auf der Auflösung des Arbeitsverhältnisses besteht, dann muss der Arbeitsrichter dem folgen.
Gleichwohl "ist nicht jede Modernisierung des Kündigungsschutzgesetzes ein Attentat auf soziale Besitzstände". Darauf verweist unser Autor Arbeitsrichter Peter Stein und mahnt, nicht die Augen zu verschließen vor den Schwachstellen des existierenden Systems. So erhalten in Deutschland nur 15 Prozent der Arbeitnehmer/innen, denen vom Arbeitgeber gekündigt wurde, überhaupt eine Abfindung, wie eine Studie des WSI der Hans-Böckler-Stiftung ergab.
Peter Stein plädiert für eine neue Balance. Er will zum einen Kündungsschutz für alle. Damit wäre die Debatte, ob der Schwellenwert bei sechs, elf oder zwanzig Beschäftigten anfängt, ein für allemal beendet und das akute Szenario gebannt, das Beschäftigten in Betrieben mit sechs bis 20 Beschäftigten jeglichen Kündigungsschutz nehmen will. Aber auf der anderen Seite, meint Stein, sollte eine standardisierte Regelabfindung in Klein- und Mittelbetrieben für klare Verhältnisse sorgen. Damit wären für kleine Unternehmen die Transaktionskosten für eine Einstellung kalkulierbar und die viel zitierten Einstellungshürden vom Tisch.
Abfindung - schön und gut, aber nicht, wenn diese Kompensation schon gleich wieder von den Arbeitsämtern oder für Qualifizierung vereinnahmt wird, macht DGB-Juristin Helga Nielebock klar. Dass eine Abfindung keine zusätzliche Zwangsrente sein kann, dafür hat auch der Österreichische Gewerkschaftsbund bei der Modernisierung des Abfertigungsrechts gekämpft.
Ob unser Kündigungsschutz negativ auf die Arbeitsmarktdynamik wirkt, ist nicht erwiesen. Vermutlich ist es ein Nullsummenspiel, bei dem aber die Insider-Outsider-Problematik verschärft wird. Und wahrscheinlich verschieben sich die Verhältnisse hin zu mehr Leiharbeit, Werkverträgen und befristeten Arbeitsverhältnissen. Auf jeden Fall sollten wir es ernst nehmen, wenn Unternehmer Kündigungsängste äußern und Einstellungshürden hoch hängen. Aber um ernst genommen zu werden, muss man auch ernsthafte Vorschläge machen.